Statt Antidepressiva: Lachgas gegen Depressionen?
Lachgas erfreut sich wachsender Beliebtheit und wird dank seines berauschenden Effektes häufig als Partydroge genutzt. Doch auch für medizinische Zwecke findet Lachgas schon seit Langem Anwendung. Nun bringen Forschende eine mögliche neue Indikation ins Spiel: Demnach könnte Lachgas bei Depressionen wirksamer sein als Antidepressiva.
In den Sozialen Medien kursieren unzählige Videos zum Konsum von Lachgas, beispielsweise in sogenannten Lachgas-Challenges. Doch das kann gefährlich werden und unter anderem neurologische Schäden, Gefrierverletzungen oder Bewusstlosigkeit nach sich ziehen. Um den Missbrauch zu Rauschzwecken einzudämmen, hat der Bundestag kürzlich mit dem Gesetz zur Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) ein Verbot für die Abgabe von Lachgas an Kinder und Jugendliche sowie den Verkauf über Versandhandel und Automaten beschlossen. Dieses soll jedoch nicht für die Verwendung als Arzneimittel und Medizinprodukt gelten, stellt das Bundesgesundheitsministerium klar.
So wird Lachgas – Distickstoffmonoxid – unter anderem in der Zahnmedizin und in der Geburtshilfe eingesetzt, weil es analgetische, anxiolytische und leicht narkotische Eigenschaften besitzt. Die genauen Wirkmechanismen sind noch nicht abschließend geklärt, der schmerzlindernde Effekt wird jedoch auf die Aktivierung von Opioid-Rezeptoren und der angstlösende Effekt auf einen Einfluss auf die GABA-Rezeptoren zurückgeführt. Lachgas wird nicht im Körper metabolisiert und unverändert wieder über die Lunge abgeatmet.
Weil die Substanz außerdem für ein Gefühl von Entspannung, übersteigerte Glücksgefühle, leichte Halluzinationen und Euphorie sorgen kann, bringt ein Forscherteam Lachgas als Behandlungsoption bei Depressionen ins Spiel.
Funfact: Woher die Bezeichnung Lachgas stammt, ist nicht belegt. Vermutet wird, dass der Name durch die von der Substanz hervorgerufene Euphorie kommt. Doch auch das Auftreten von Zwerchfellkrämpfen, die mit Lachen verwechselt werde können, ist eine mögliche Option für die Herkunft der Bezeichnung.
Lachgas als schnelle Hilfe gegen Depressionen?
Ein Team der Universität Birmingham (Vereinigtes Königreich) hat untersucht, wie sich die Anwendung von Lachgas bei Patient:innen auswirkt, die unter Depressionen leiden. Dafür wurden sieben Studien mit insgesamt mehreren hundert Teilnehmer:innen herangezogen. Bei allen wurden Depressionen diagnostiziert und sie wurden entweder für jeweils 20 bis 60 Minuten über eine Maske mit einem 25- oder 50-prozentigem Lachgas-Gemisch behandelt oder mit einem Placebo.
Das Ergebnis: Im Gegensatz zu Antidepressiva, die mitunter mehrere Wochen bis zum gewünschten Wirkeintritt benötigen, zeigte die Inhalation von Lachgas bereits nach wenigen Stunden einen positiven Effekt auf die Beschwerden. Das Problem: Dieser hielt in der Regel nicht lange an, sondern verschwand innerhalb von einer Woche wieder. Erfolgte jedoch eine längerfristige Behandlung mit mehreren Verabreichungen über mehrere Wochen, zeigten die Betroffenen deutliche Verbesserungen. Bei einigen Patient:innen bildete sich die Depression sogar vollständig zurück. Dabei zeigte Lachgas eine gute Verträglichkeit, zu den häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen gehörten Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen.
Die Wirkung geht den Forschenden zufolge auf eine partielle und schwache spannungsabhängige NMDA-Hemmung zurück. Zudem moduliert Lachgas Calciumkanäle und Opioidsysteme. Ketamin als Vergleichssubstanz entfaltet seine ebenfalls schnelle antidepressive Wirkung dagegen durch einen NMDA-Rezeptorantagonismus an inhibitorischen Interneuronen.
Lachgas könnte somit vor allem bei schweren Depressionen zur Akutbehandlung eine Rolle spielen, so das Fazit. Wie genau die Behandlung aussehen könnte, muss ihnen zufolge jedoch noch in weiteren Studien untersucht werden.
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