Retaxfalle Rezeptur-Rezept
Dosierungsangabe, Hashwert, Prüfpflicht: Liegt in der Apotheke ein Rezeptur-Rezept vor, lauert mehr als eine Retaxfalle. In einigen Fällen kann die Kasse sogar auf Null retaxieren – beispielsweise, wenn die Dosierungsangabe fehlt.
Die Herstellung von Rezepturen ist das Steckenpferd von PTA und gehört zum Alltag. Doch es lauern verschiedene Stolpersteine, und zwar nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei der Abrechnung.
Retaxfalle 1: Rezeptur ohne Rx-Bestandteil
Grundsätzlich gilt: Zubereitungen mit nicht verschreibungspflichtigen Wirkstoffen werden für Erwachsene ab dem 18. Geburtstag nicht mehr grundsätzlich von den Kassen bezahlt. Im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren gilt folgende Regelung: OTC-Arzneimittel sind für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis 18 Jahren erstattungsfähig.
Krankenkassen übernehmen für nicht verschreibungspflichtige Rezepturen für Erwachsene ausnahmsweise die Kosten, wenn die Arzneistoffe in der sogenannten OTC-Ausnahmeliste (Anlage I der Arzneimittelrichtlinie), die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erstellt wird, aufgeführt sind. Hier einige Beispiele:
- topische Anästhetika und/oder Antiseptika nur zur Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen
- Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum
- Antiseptika und Gleitmittel nur für Patient:innen mit Katheterisierung
- harnstoffhaltige Dermatika mit einem Harnstoffgehalt von mindestens 5 Prozent nur bei gesicherter Diagnose bei Ichthyosen, wenn keine therapeutischen Alternativen für die jeweiligen Patient:innen indiziert sind
- Iod-Verbindungen nur zur Behandlung von Ulcera und Dekubitalgeschwüren
- Nystatin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patient:innen
- Salicylsäurehaltige Zubereitungen (mindestens 2 Prozent Salicylsäure) in der Dermatotherapie als Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme
- synthetischer Speichel nur zur Behandlung krankheitsbedingter Mundtrockenheit bei onkologischen oder Autoimmun-Erkrankungen
Merke: Eine Diagnose müssen Ärzt:innen im Falle einer OTC-Rezeptur nicht angeben. Hat die Praxis dies jedoch getan, gilt eine erweiterte Prüfpflicht. Das bedeutet: Die Apotheke darf die Rezeptur nur zulasten der Kasse abrechnen, wenn die Vorgaben der OTC-Ausnahmeliste mit der angegebenen Diagnose auf dem Rezept übereinstimmen.
Retaxfalle 2: Rezeptur ohne Dosierungsangabe
Keine Dosierung, kein Geld. Auch bei Rezepturen muss eine Dosierung auf dem Rezept dokumentiert werden – Grundlage ist § 2 AMVV: „bei einem Arzneimittel, das in der Apotheke hergestellt werden soll, die Zusammensetzung nach Art und Menge oder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels, von dem eine Teilmenge abgegeben werden soll, sowie eine Gebrauchsanweisung.“ Letztere darf nur fehlen, wenn das Rezepturarzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird. Wird also eine Rezeptur für den Sprechstundenbedarf verordnet, darf die Gebrauchsanweisung fehlen.
Im Falle einer Rezeptur genügt es nicht, dass der/die Ärzt:in den Hinweis „Dj“ oder „gemäß schriftl. Anweisung“ angibt. Die Hinweise sind „nicht ausreichend“, wie der Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt informiert. Es muss eine konkrete Dosierung vorliegen. „Bitte ergänzen Sie in diesen Fällen nach einer ärztlichen Rücksprache eine konkrete Gebrauchsanweisung, um Nullretaxationen zu vermeiden.“ Auch der Verweis auf eine NRF-Rezeptur genügt nicht, selbst wenn die Vorschrift die nötigen Informationen zur Anwendung liefert. Weil aber die AMVV die Gebrauchsanweisung explizit fordert, muss sie auch schwarz auf rosa auf der Verordnung zu finden sein.
Retaxfalle 3: Kosmetika als Grundlage
„Zur Herstellung von Arzneimitteln dürfen nur Ausgangsstoffe verwendet werden, deren ordnungsgemäße Qualität festgestellt ist“, heißt es in der Apothekenbetriebsordnung. Und das gilt auch für Kosmetika als Rezepturgrundlage.
„Als Rezepturgrundlage kommen in Frage apothekenpflichtige Arzneimittel oder nicht apothekenpflichtige Rezepturgrundlagen wie Nichtarzneimittel/Kosmetika/Medizinprodukte, wenn die jeweiligen Hersteller dafür ein valides Prüfzertifikat und eine Methode zur Prüfung der Identität zur Verfügung stellen. Andernfalls ist eine Verwendung als Ausgangstoff zur Arzneimittelherstellung nicht möglich“, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.
Merke: Kann der Hersteller kein Prüfzertifikat und keine Methode zur Identitätsprüfung liefern, kann das Kosmetikum in der Apotheke nicht als Rezepturgrundlage verwendet werden.
Retaxfalle 4: Verwürfe
Werden nur 20 g Creme für die Herstellung benötigt, aber die kleinste Packung sind 30 g, bleibt ein Rest – die Rede ist vom Rezepturanbruch und dem Verwurf. Ob Apotheken die ganze Packung abrechnen dürfen oder nur den anteiligen Preis entsprechend dem Verbrauch, beantwortet die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) in § 5 „Apothekenzuschläge für Zubereitungen aus Stoffen“. In Absatz 2 – der den Apotheken die Abrechnung der ganzen Packung gestattet; Verwurf inklusive, – heißt es:
„Auszugehen ist von den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln. Maßgebend ist
1. bei Stoffen der Einkaufspreis der üblichen Abpackung,
2. bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis nach § 3 Abs. 2 der erforderlichen Packungsgröße, höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt.“
Und doch können Rezepturanbrüchen zur Retaxfalle in der Rezeptur werden, denn es gibt immer wieder Retaxationen, nämlich dann, wenn Versicherte die Rezeptur mehrmals verordnet bekommen und das Rezept in einer Apotheke einlösen. Schließlich ist in der Hilfstaxe nicht geregelt, dass Rezepturanbrüche zu entsorgen sind. Dann lautet das Argument: Ein Verwurf ist nicht nötig, weil der Rest weiterverarbeitet werden kann. Außerdem lehnen die Kassen eine Kostenübernahme ab, wenn die Apotheke nicht das kostengünstigste Fertigarzneimittel abgerechnet hat. Die Wirtschaftlichkeit muss also beachtet werden.
Für die Preisberechnung des Fertigarzneimittels gilt: Einkaufspreis entsprechend der erforderlichen Packungsgröße, höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt.
Retaxfalle 5: Hashwert
Der Hashwert ist für alle Rezepturen Pflicht und muss auch auf dem Muster-16-Formular einen Platz finden. Auf die Angabe der Einzelbeträge kann wegen dem Hashwert verzichtet werden.
In der Technischen Anlage 1 ist unter 4.14 „Abrechnung von Papierrezepten mit elektronischen Zusatzdaten und Hashwert und E-Rezepten mit Zusatzdaten“ der Hashwert geregelt. In Absatz 4.14.1 ist festgelegt, dass die Sonderkennzeichen – beispielsweise für Cannabis oder die Lieferung im Botendienst – ausschließlich in den elektronischen Zusatzdaten übermittelt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass jedes Sonderkennzeichen maximal einmal enthalten sein darf. Fällt eine Gebühr mehrmals an, wird dies über das Feld Faktor kenntlich gemacht.
Retaxfalle 6: Gefäße
Für eine Rezeptur im Rahmen des Sprechstundenbedarfs darf kein Abgabegefäß in Rechnung gestellt werden, es sei denn, der regionale Liefervertrag sieht eine Ausnahmeregelung vor.
Retaxfalle 7: Zuschlag für Wasser und Einwaagekorrekturfaktor
Für die Preisberechnung werden die Festpreise der Hilfstaxe herangezogen. Ist die Substanz nicht in der Hilfstaxe für Apotheken gelistet, kann der tatsächliche Apothekeneinkaufspreis für die Rezepturtaxation verwendet werden. |
Qualitätszuschlag für Wasser und Rezepturzuschlag können nur einmal pro Rezeptur berechnet werden. |
Ist bei der Einwaage der Wirkstoffe der Einwaagekorrekturfaktor „f“ zu berücksichtigen, kann die korrigierte Menge der Kasse in Rechnung gestellt werden. Die Menge ist auf dem Rezept, aber nicht auf dem Etikett zu dokumentieren. |
Retaxfalle 8: Wirtschaftlichkeit
Während bei Fertigarzneimitteln jede Verordnungszeile für sich betrachtet werden und die jeweils verordnete Anzahl an Packungen geliefert werden muss, ist das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Rezepturen weiterhin zu beachten. Hier kommt unsere Retaxfalle Nummer 8. Ist eine Rezeptur doppelt verordnet oder soll auf zwei Gefäße verteilt hergestellt und abgefüllt werden, gilt dies nach § 12 Sozialgesetzbuch (SGB) V als unwirtschaftlich.
„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“
Das bedeutet für die Praxis: Die Apotheke muss die Creme in einem Ansatz herstellen und in ein Abgabegefäß abfüllen. Dementsprechend werden Gefäß und Rezepturzuschlag auch nur einmal berechnet.
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