Azithromycin: Neuer Warnhinweis, angepasste Indikationen
Vor rund 1,5 Jahren hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine Nutzen-Risiko-Neubewertung Azithromycin-haltiger Arzneimittel in den verschiedenen Indikationen gestartet. Nun sind die Expert:innen zu einem Ergebnis gekommen. Die Indikationen entsprechender Arzneimittel sollen angepasst und in die Produktinformationen ein neuer Warnhinweis aufgenommen werden.
„Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat mehrere Änderungen der Anwendung des Antibiotikums Azithromycin in der EU empfohlen, darunter die Streichung bestimmter Indikationen“, heißt es in einer Stellungnahme. Der Grund: Der Einsatz des Antibiotikums soll optimiert und so das Risiko von Resistenzen verringert werden.
Denn Azithromycin hat ein breites Anwendungsgebiet. So kommen Arzneimittel mit dem Wirkstoff bei Erwachsenen und Kindern bei Infektionen zum Einsatz, die durch grampositive und gramnegative Bakterien verursacht werden. Dazu gehören beispielsweise Infektionen der oberen und unteren Atemwege sowie eine ambulant erworbene Pneumonie, aber auch sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie Gonorrhoe. Doch die Zahl der antimikrobiellen Resistenzen gegen Azithromycin hat in den letzten Jahren laut der EMA ebenso zugenommen wie der generelle Einsatz des Antibiotikums. Dies soll sich ändern.
Azithromycin zählt zu den Makroliden. Die Wirkstoffe besitzen bakteriostatische bis bakterizide Eigenschaften und binden an die 50S-Untereinheit bakterieller Ribosomen und hemmen so die Proteinbiosynthese. Azithromycin kann systemisch, aber auch topisch verabreicht werden und wird auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation geführt.
Azithromycin: Indikationen angepasst
Künftig sollen Azithromycin-haltige Arzneimittel rationaler verwendet und so ihre Wirksamkeit bewahrt werden. Daher erfolgen in den meisten Anwendungsgebieten des Antibiotikums Anpassungen an die aktuelle Datenlage. Das gilt auch im Hinblick auf Dosierungen, mögliche Kontraindikationen sowie Wechselwirkungen und Anwendungsmöglichkeiten in der Schwangerschaft. Von den Änderungen betroffen sind folgende Indikationen:
- Infektionen der oberen und unteren Atemwege und ambulant erworbene Pneumonie
- Sexuell übertragbare Krankheiten
- Infektionen der weiblichen Fortpflanzungsorgane
- Zahninfektionen
- Behandlung und Vorbeugung verschiedener Infektionen mit dem Mycobacterium-avium -Komplex bei Menschen mit einer HIV-1-Infektion
Doch damit nicht genug. Denn einige Indikationen, die teilweise nur in wenigen EU-Staaten zugelassen sind, sollen auf Empfehlung der Expert:innen auch aus dem Anwendungsspektrum Azithromycin-haltiger Arzneimittel gestrichen werden. Denn die zur Verfügung stehenden Belege genügen laut der EMA nicht, um die Wirksamkeit zu bestätigen. Azithromycin zur oralen Anwendung darf künftig nicht mehr eingesetzt werden bei
- mittelschwerer Akne vulgaris,
- Eradikation von Helicobacter pylori,
- Vorbeugung von Exazerbationen von eosinophilem und nicht-eosinophilem Asthma.
Neuer Warnhinweis: Azithromycin nur bei Alternativlosigkeit
Zudem hat sich der CHMP für einen neuen Warnhinweis in den Produktinformationen Azithromycin-haltiger Arzneimittel ausgesprochen. Demnach sollen Patient:innen auf das Risiko einer antimikrobiellen Resistenz hingewiesen werden, weil der Wirkstoff auch nach Behandlungsende lang anhaltende Konzentrationen in Plasma und Gewebe aufweist, was die Entstehung begünstigen könnte.
„In der Warnung wird darauf hingewiesen, dass die Behandlung mit Azithromycin nur nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko und unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzprävalenz begonnen werden sollte und wenn bevorzugte Behandlungsschemata nicht angezeigt sind“, heißt es von den EMA-Expert:innen weiter.
Patient:innen sollen bei Fragen zur Behandlung Rücksprache mit dem/der behandelnden Ärzt:in oder der Apotheke halten.
Azithromycin-haltige Arzneimittel zur topischen Anwendung, beispielsweise Augentropfen, sind von den Anpassungen nicht betroffen.
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