Vareniclin und Bupropion auch zur Alkoholentwöhnung
Schätzungsweise rund 1,6 Millionen Menschen gelten hierzulande als alkoholabhängig, viele weitere Millionen weisen einen problematischen Alkoholkonsum auf. Forschende wollen nun eine neue Behandlungsoptionen zur Alkoholentwöhnung entdeckt haben – die Kombi aus Vareniclin und Bupropion, die bereits zur Rauchentwöhnung Anwendung findet.
Um Patient:innen mit einer Tabakabhängigkeit beim Rauchstopp zu unterstützen, kommen mitunter Nikotinersatzpräparate zum Einsatz, da diese die Rauchentwöhnungsraten langfristig erhöhen können, heißt es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Etabliert haben sich dabei unter anderem Arzneimittel mit den Wirkstoffen Vareniclin und Bupropinon, die laut der WHO als Erstlinientherapie empfohlen werden. Doch nicht nur in dieser Indikation zeigt sich ein positiver Effekt. Laut einer Studie können Vareniclin und Bupropinon auch bei der Alkoholentwöhnung einen entscheidenden Beitrag leisten.
Übrigens: Nikotinersatzpräparate mit den Wirkstoffen Nicotin und Vareniclin zur Rauchentwöhnung können unter gewissen Voraussetzungen künftig auch auf Kassenrezept verordnet werden. Für Arzneimittel mit Bupropion und Cytisin gilt dies jedoch nicht.
Wirkstoffcheck
Vareniclin kommt zur Raucherentwöhnung bei Erwachsenen zum Einsatz. Der Wirkstoff bindet mit hoher Affinität und Selektivität an die neuronalen α4β2-nikotinergen Acetylcholinrezeptoren und wirkt als partieller Agonist. Das bedeutet: Vareniclin besitzt agonistische und antagonistische Eigenschaften. Der Wirkstoff lindert das Rauchverlangen und die Entzugssymptome (agonistische Wirkung) und erreicht gleichzeitig eine Reduktion des Belohnungs- und Verstärkungseffekts, der beim Rauchen erzeugt wirkt – Ursache ist die antagonistische Wirkung durch Blockade der Bindung von Nikotin an α4β2-Rezeptoren.
Bupropion ist ein schwacher Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der zur Behandlung von Depressionen und zur Raucherentwöhnung eingesetzt wird. Der Wirkstoff stimuliert im Nucleus arcuatus Proopiomelanocortin (POMC)-Neuronen, die α-Melanozyten-stimulierendes Hormon (α-MSH) freisetzen. Dieses stimuliert wiederum durch Bindung den Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R). Die Freisetzung von α-MSH ist mit einer gleichzeitigen Freisetzung von β-Endorphin durch die POMC-Neuronen verbunden. Es kommt zu einer negativen Rückkopplung. β-Endorphin bindet an die μ-Opioid-Rezeptoren in POMC-Neuronen und führt zu einem Rückgang der Freisetzung von α-MSH.
Alkoholabhängigkeit: Studie mit Vareniclin und Bupropion
In einer randomisierten, placebokontrollierten doppelblinden Studie haben Forschende der Sahlgrenska-Universität in Göteborg untersucht, welche Rolle die „Dopamin-Enhancer“ Vareniclin und Bupropion bei Alkoholabhängigkeit spielen können. Dafür wurden mehrere hundert Betroffene berücksichtigt, die über einen Zeitraum von zwölf Wochen entweder mit einem Placebo, Vareniclin plus Placebo, Bupropion plus Placebo oder Vareniclin plus Bupropion behandelt wurden. Analysiert wurde dabei, ob und wie sich der tägliche Alkoholkonsum sowie der Alkoholspiegel im Blut verändern.
Achtung: Unter dem Einfluss von Vareniclin kann sich die Wirkung von Alkohol verstärken.
Das Ergebnis
Sowohl die Therapie mit Vareniclin allein als auch die Kombi aus Vareniclin und Bupropion konnten den Anteil an Phosphatidyl-Ethanol im Blut sowie die Anzahl der Tage mit hohem Alkoholkonsum deutlich reduzieren. Der Grund: Bei vorliegender Alkoholabhängigkeit ist das mesolimbische dopaminerge System herunterreguliert, wodurch das mit positiven Erlebnissen verbundene Belohnungsgefühl abgeschwächt wird. Die Folge: Der Anreiz zum Alkoholkonsum wird verstärkt. Dieser kann jedoch durch den dopaminverstärkenden Effekt von Vareniclin und sorgen unterdrückt werden.
Mehr noch. Verglichen mit den bisherigen Standardtherapien bei Alkoholabhängigkeit zeigte die Behandlung mit der Wirkstoffkombi einen etwa doppelt so starken Effekt und konnte auch für eine Verringerung der täglichen Alkoholmenge sorgen.
Nun sind laut den Forschenden weitere Untersuchungen erforderlich, unter anderem, um herauszufinden, ob die Wirkstoffkombination auch bei der Aufrechterhaltung der Alkoholabstinenz unterstützen kann.
Mehr aus dieser Kategorie
Schadstoffe in Menstruationsprodukten: (K)ein Risiko?
Geht es um Hygieneartikel für die Periode, ist die Auswahl an entsprechenden Produkten groß. Denn neben Tasse und Tampon stehen …
Antidepressiva und Co.: ALS durch Psychopharmaka?
Knapp 18 Millionen Menschen leiden allein hierzulande an einer psychischen Erkrankung, das entspricht mehr als jedem/jeder Vierten. Suchen die Betroffenen …
Ingwer bei Krebs: Fakt oder Fiktion?
Ingwer werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugesprochen, beispielsweise bei Magenbeschwerden sowie Erkältungskrankheiten. Doch damit nicht genug. Denn auch bei der Behandlung …