Überstunden: Ausgleich nur bei Arbeitszeiterfassung?
Zugegeben, wohl niemand schiebt gerne Überstunden. Doch manchmal lässt es sich einfach nicht vermeiden, etwas länger in der Apotheke zu bleiben. Die gute Nachricht: Immerhin wird die Mehrarbeit vergütet. Das gilt aber nur unter gewissen Voraussetzungen. Ohne Arbeitszeiterfassung kann es beispielsweise mit dem Ausgleich von Überstunden schwierig werden.
PTA, die in der Apotheke Überstunden leisten, werden dafür auch vergütet, und zwar laut Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) pro Stunde mit einer Grundvergütung (1/173 des Tarifgehalts) plus einem Zuschlag von 25 bis 50 Prozent. Alternativ kann ein Freizeitausgleich erfolgen. Doch egal ob finanziell oder in Form von freier Zeit – Anspruch besteht nur, wenn die Mehrarbeit „vom Apothekeninhaber oder seinem Beauftragten angeordnet, ausdrücklich gebilligt oder geduldet worden ist.“ Wer auf eigene Faust länger bleibt, geht also leer aus. Mehr noch: Offenbar wird es auch in Sachen Vertrauensarbeitszeit schwierig mit der Vergütung. Denn wie das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) in einem Urteil entschieden hat, ist ein Ausgleich von Überstunden ohne Arbeitszeiterfassung und den Segen von Chef:innen schwierig.
Im Sommer 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschlossen, dass Arbeitgeber:innen in der EU dazu verpflichtet werden sollen, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“, heißt es in einer Pressemitteilung zum Beschluss.
Fehlt eine solche Arbeitszeiterfassung, können die gearbeiteten Stunden nur nach bestem Wissen durch Arbeitgebende und/oder Arbeitnehmende anderweitig notiert werden. Und genau dies reicht laut dem LAG nicht, um generell Anspruch auf die Vergütung von Überstunden zu haben. Geklagt hatte ein Angestellter, der als Auslieferungsfahrer zahlreiche Überstunden angesammelt hatte. Das Problem: Eine offizielle Arbeitszeiterfassung gemäß EuGH-Beschluss gab es bei seinem Arbeitgeber nicht. Dennoch machte der Kläger eine Vergütung geltend und verwies auf die Erfassung von Ankunfts- und Verlassenszeiten des Betriebes. Seine Arbeitgeberin betonte dagegen, dass sie stets auf die Einhaltung von Pausen und Co. hingewiesen habe und die Überstundenzahl somit deutlich geringer ausfallen dürfte. In erster Instanz bekam der Beschäftigte vom Arbeitsgericht Emden Recht, nach dessen Auffassung Arbeitgeber:innen bei Verstoß gegen den EuGH-Beschluss in der Vergütungsfrage von Überstunden selbst in Beweisnot geraten.
Das LAG Niedersachsen revidierte diese Entscheidung jedoch wieder. Den Richter:innen zufolge reiche der EuGH-Beschluss nicht beziehungsweise „habe keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess im Hinblick auf die Frage der Anordnung, Duldung oder Betriebsnotwendigkeit von Überstunden“, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt. Im Klartext heißt das: Ein Ausgleich von Überstunden muss weiterhin nur für die Mehrarbeit erfolgen, die der/die Chef:in auch verlangt beziehungsweise geduldet hat. „Lediglich dann, wenn der Arbeitgeber Zeiterfassungsbögen abzeichnet, stellt er Überstunden streitlos, unabhängig davon, welchen Zweck diese Zeiterfassungsbögen dienen“, betonen die Richter:innen. Dies sei jedoch im Klagefall nicht gegeben, da es keine offizielle Zeiterfassung gab.
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