Tolperison sollte nicht außerhalb der zugelassenen Indikation angewendet werden. In einem Rote-Hand-Brief wird an die negative Nutzen-Risiko-Bewertung bei einer Off-Label-Anwendung erinnert.
Das zentral wirksame Muskelrelaxans Tolperison wird zur symptomatischen Behandlung der Spastizität nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen angewendet. Der Arzneistoff ist strukturähnlich zu Lidocain und wirkt direkt auf die Reizweiterleitung in Nervensystem und Skelettmuskulatur. Tolperison reduziert dosisabhängig den Einstrom von Natriumionen – Amplitude und Frequenz von Aktionspotentialen werden reduziert. Außerdem wird der Substanz ein membranstabilisierender Effekt zugeschrieben, der auf eine inhibitorische Wirkung auf spannungsabhängige Calcium-Kanäle zurückgeführt werden kann.
Tolperison häufig mit Off-Label-Anwendung
Früher war Tolperison auch bei Muskelverspannungen im Schulter- und Rückenbereich zugelassen. Ein im Jahr 2013 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) initiiertes europäisches Risikobewertungsverfahren führte zur Indikationseinschränkung von Tolperison. Seitdem soll der Wirkstoff nur noch für die symptomatische Behandlung einer Spastizität nach einem Schlaganfall eingesetzt werden. Für andere Anwendungsgebiete wurden keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege erbracht. Außerdem wurden Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zu schweren anaphylaktischen Reaktionen dokumentiert. Dies führte für andere Anwendungsgebiete zu einer negativen Risiko-Nutzen-Bewertung.
Verschreibungsverhalten unverändert
Aktuelle Daten aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen jedoch, dass sich das Verschreibungsverhalten für Tolperison seither nicht tiefgreifend verändert hat. Noch immer kommt der Arzneistoff zur Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates muskuloskelettalen Ursprungs zum Einsatz. Aus diesem Grund wird erneut über das Risiko einer Off-Label-Anwendung von Tolperison informiert:
- Tolperison ist seit 2013 ausschließlich zur symptomatischen Behandlung der Spastizität nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen zugelassen.
- Die Off-Label-Anwendung von Tolperison setzt Patienten einem Risiko für beispielsweise Überempfindlichkeitsreaktionen, bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen oder anaphylaktischem Schock, bei einem nicht nachgewiesenen Nutzen aus.
- Patienten sollen auf das Risiko von Überempfindlichkeitsreaktionen und die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen wie Therapieabbruch und sofortigen Abbruch beim Auftreten einer unerwünschten Reaktion hingewiesen werden.
Patienten, die in den nicht mehr zugelassenen Indikationen mit Tolperison behandelt werden, sind demnach dem Risiko einer Hypersensitivitätsreaktion ausgesetzt, ohne dass nach derzeitigem Kenntnisstand ein substantieller Nutzen zu erwarten ist. Dies sei im Hinblick auf das Risiko für schwerwiegende bis tödliche Hypersensitivitätsreaktionen nicht akzeptabel.
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