Thrombosen nach Impfung: Mechanismus entschlüsselt
Mechanismus entschlüsselt: Impfstopp am Montag, grünes Licht am Donnerstag: Aufgrund von Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen wurde ein vorsorglicher Impfstopp für die AstraZeneca-Vakzine beschlossen. Seit Freitag wird hierzulande wieder mit dem Vektorvirenimpfstoff geimpft – denn laut Europäischer Arzneimittelagentur (EMA) überwiege der Nutzen die Risiken. Wie es zu der sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkung kommen kann, hat Immunologe Professor Andreas Greinacher, Abteilung Transfusionsmedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald entschlüsselt und eine Therapie gefunden.
„Forschende der Universitätsmedizin Greifswald haben den Mechanismus entschlüsselt, wie die Thrombosen entstehen: Im Vordergrund steht ein Abwehrstoff, den der Körper entwickelt und der Blutplättchen aktiviert, die ihrerseits die Thrombose hervorrufen. Die Komplikationen nach Impfung mit dem AstraZeneca Impfstoff können so erfolgreich behandelt werden“, postete die Uni Greifswald auf Facebook.
„Professor Andreas Greinacher hat sich reingehängt und es hat sich gelohnt. Die Komplikationen nach Impfung mit dem AstraZeneca Impfstoff sind erforscht und es wurde eine Therapie entwickelt. Einer weiteren Impfung steht also nichts mehr im Weg.“ Greinacher sei ein „Durchbruch“ gelungen. In drei Tagen hat der Immunologe mit weiteren Kolleg:innen den Mechanismus der Komplikation entschlüsselt und eine Therapie entwickelt.
Seit dem 12. März stand Greinacher mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Verbindung. Das PEI hatte dem Wissenschaftler Blutproben betroffenener Patient:innen zur Verfügung gestellt. „Wir haben dann mit diesen Blutproben drei Tage durchgearbeitet.“
Die Ergebnisse: „Erstens: Wir haben den Mechanismus geklärt und wissen, wie die Thrombosen zustande kommen. Zweites: Wir haben ein Testverfahren entwickelt, mit dem wir betroffene Patient:innen screenen können, ob eventuell dieser Mechanismus vorliegt.“ Dabei stellt Greinacher klar: „Wir können nicht vor der Impfung jemanden untersuchen und auf das Risiko testen. Das geht nicht.“ Erst wenn ein/e Patient:in innerhalb der zwei Wochen nach der Impfung mit einer Thrombose vorstellig werde, könne getestet werden. Niemand wisse, ob er vor der Impfung zu der sehr seltenen Gruppe gehöre. Es wurde zudem ein Bestätigungstest entwickelt, der den Screening-Test bestätigt. Gleichzeitig haben die Wissenschaftler:innen eine Therapieoptionen gefunden, mit der der Mechanismus, der den Thrombosen zugrunde liegt, umgehend abgestellt werden könne. Betroffene Menschen können direkt therapiert werden.
Fasse man das alles zusammen, sei man jetzt in der Situation, allen betroffenen Patient:innen oder Impfwilligen sagen zu können, dass nur sehr sehr selten diese Komplikation entwickelt werde, so Greinacher, aber wenn sie auftrete, wisse man nun, wie man die Patient:innen behandeln könne. Für Greinacher eine der besten Nachrichten.
Der Mechanismus: Wie bei jeder Impfung entwickelt der Körper Abwehrstoffe. Einige Antikörper (treten wahrscheinlich erst ab Tag vier oder fünf auf) binden an ein Protein von Thrombozyten. Die Blutplättchen sind üblicherweise dazu da, Gefäßläsionen abzudichten, sodass Blutungen zum Stillstand kommen. Der Vorgang startet, wenn die Thrombozyten infolge einer Läsion aktiviert werden. Durch die gebildeten Antikörper werden die Thrombozyten aber ohne eine Gefäßschädigung aktiviert und beginnen, die Blutgerinnung zu aktivieren. Das werde mit größter Wahrscheinlichkeit die Ursache der Thrombosen sein, erklärt Greinacher. Außerdem vermuten die Wissenschaftler:innen, dass auch die weißen Blutkörperchen und Gefäßwände durch die Antikörper aktiviert werden. Werden im Blut sehr viele Zellen aktiviert, sei das Risiko für Thrombosen erhöht.
Ob der Impfstoff selbst, der Vektor oder eine unspezifische Reaktion des Körpers Auslöser für die Antikörperreaktion ist, könne noch nicht abschließend gesagt werden. Hier seien weitere Untersuchungen nötig. Es zeige sich eine Analogie zur Heparin-induzierten Thrombozytopenie.
Die Therapie: Die Antikörper bestehen aus zwei Teilen, erklärt Greinacher – mit dem einen erkennen sie ihr Antigen und mit dem anderen – dem Fc-Teil – können sie Körperzellen aktivieren. Beide Seiten können an Thrombozyten binden und diese massiv aktivieren. Der zuständige Rezeptor Fc-gamma-IIa kann durch intravenöses Immunglobulin inaktiviert werden. Eine prophylaktische Gabe sei nicht sinnvoll.
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