Orange unter der Dusche: Warnung vor TikTok-Tipps zu Mental Health
Das Thema mentale Gesundheit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Da wundert es nicht, dass auch in den Sozialen Medien wie auf TikTok zahlreiche Tipps dazu kursieren. Expert:innen warnen jedoch vor vermeintlichen „Hilfestellungen“ wie Orangen unter der Dusche zu essen, um bei Angstzuständen, Traumata und Co. für Linderung zu sorgen. Denn es drohen gefährliche Folgen.
Ob Stress und Druck auf der Arbeit oder Probleme im Privatleben – viele Menschen klagen über wachsende psychische Belastungen. Um die mentale Gesundheit zu stärken, suchen Betroffene oftmals Hilfe in den Sozialen Medien. Vor allem auf der Plattform TikTok kursieren unter dem Hashtag #mentalhealthtips zahlreiche Videos mit Tipps, Informationen und Behandlungsvorschlägen. Das Problem: Oftmals enthalten diese Fehlinformationen, die gefährlich werden, wenn Patient:innen diese ernst nehmen. Mehr als jedes zweite Video zur psychischen Gesundheit steckt demnach voller Fehler. Das ist das Ergebnis einer Auswertung im Auftrag der Zeitschrift „Guardian“ (Großbritannien).
Orange unter der Dusche gegen Angstzustände?
Um zu prüfen, wie sinnvoll entsprechende TikTok-Tipps zu Mental Health sind, wurden die 100 meistgeklickten Videos mit Ratschlägen zum Umgang mit Traumata, Angstzuständen, Depressionen und schweren psychischen Erkrankungen von Expert:innen auf ihren Wahrheitsgehalt/ihre Stichhaltigkeit geprüft.
Das Ergebnis: Zahlreiche Inhalte machen Betroffenen mit psychischen Leiden falsche Hoffnungen im Hinblick auf Wirksamkeit und Schnelligkeit. In einigen Videos wird demnach empfohlen, bei vorliegenden Angstzuständen einfach eine Orange unter der Dusche zu essen, um für Linderung zu sorgen. Auch zum Verzehr von „Heiligem Basilikum“, Gewürzen wie Safran oder der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln wie Magnesiumglycinat wird geraten, obwohl die Wirkung bisher nicht belegt ist. Gleiches gilt für die versprochene „Ein-Stunden-Heilung“ von Traumata.
Falschdiagnosen durch Fehlinformationen
Doch damit nicht genug. Denn wie die Expert:innen kritisieren, enthält rund die Hälfte der Videos zudem Falschinformationen, die gefährlich werden können. So würden beispielsweise therapeutische Begriffe von Influencer:innen falsch verwendet, sodass Betroffene in die Irre geführt und mit Fehldiagnosen verunsichert werden können. Ein vermeintlich einfacher Test würde beispielsweise schnell zur Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung führen, obwohl es sich lediglich um normale emotionale Erfahrungen handelt. „Dies führt dazu, dass beeinflussbare Menschen mit Fehlinformationen versorgt werden und kann auch die Lebenserfahrungen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen trivialisieren“, heißt es von den Expert:innen.
Hinzukommt, dass Wohlbefinden, Angstzustand und psychische Störung oftmals gleichgesetzt würden, wodurch unklar bleibe, was eine psychische Erkrankung überhaupt ist. Viele Inhalte seien außerdem zu verallgemeinernd. „TikTok verbreitet Fehlinformationen, indem es suggeriert, es gäbe geheime universelle Tipps und Wahrheiten, die bei einem Zuschauer möglicherweise sogar noch schlimmere Gefühle hervorrufen, ihn wie einen Versager fühlen lassen, wenn diese Tipps nicht einfach Abhilfe schaffen.“ Dabei würden vielmehr individuelle Erfahrungen eine Rolle spielen.
Freie Meinungsäußerung auf TikTok
Die Plattform kontert gegenüber der Zeitung: „TikTok ist ein Ort, an dem Millionen von Menschen ihre Meinung äußern, ihre authentischen Erfahrungen mit psychischer Gesundheit teilen und eine unterstützende Community finden.“ Die Ergebnisse der Auswertung würden dieser freien Meinungsäußerung entgegenstehen. Man arbeite eng mit Gesundheitsexpert:innen zusammen, um zuverlässige Inhalte zu bieten.
Bei psychischen Problemen, Sorgen und Co. ist die Telefonseelsorge rund um die Uhr und kostenfrei unter den Rufnummern 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 sowie 116 123 zu erreichen.
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