Notfallapotheken: Zweite Offizin in Kliniken
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) holt einen weiteren alten Plan aus der Schublade: Mit der Notfallreform sollen abgespeckte „Zweitapotheken“ in Kliniken – Notfallapotheken – erlaubt werden. Im Referentenentwurf von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wurde das ursprünglich unter ihrem Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) entwickelte Konzept komplett aufgenommen – obwohl es daran massive Kritik gegeben hatte. Nur ein kritischer Punkt wurde gestrichen.
Im Entwurf geht es vor allem darum, den Rettungsdienst und die Notaufnahmen zu entlasten. Primäre Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten sollen Integrierte Notfallzentren (INZ) werden, die an ausgewählten Krankenhäusern angesiedelt sind und flächendeckend etabliert werden. Dort entscheiden Ersteinschätzungsstellen, ob die Notaufnahme oder die neu zu gründenden Notdienstpraxen die richtige Stelle sind. Geregelt wird die Sache in einem neuen § 123 Sozialgesetzbuch (SGB V).
In diesem Zusammenhang soll „die Versorgung von Patientinnen und Patienten von Notdienstpraxen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten durch die Einführung von Versorgungsverträgen mit öffentlichen Apotheken verbessert werden“, heißt es im Entwurf. Dazu sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) nicht nur mit den Landesapothekerkammern (LAK) mehr Informationen über die Organisation des Notdienstes austauschen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Vielmehr soll die KV gemeinsam mit dem Träger des jeweiligen Krankenhauses einen Vertrag mit einer öffentlichen Apotheke schließen. Dieser Vertrag muss der Behörde drei Wochen vorab vorgelegt werden.
Dies wird spiegelbildlich in einem neuen § 12b Apothekengesetz (ApoG) geregelt: „Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke kann zur Versorgung von Patienten einer Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten einen Vertrag mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und dem Träger des Krankenhauses, mit dessen Notaufnahme die Notdienstpraxis ein Integriertes Notfallzentrum bildet, schließen.“
„Zweite Offizin“ in Kliniken
Weiter heißt es: „Die Versorgung kann durch die öffentliche Apotheke erfolgen, wenn diese in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegt. Liegt die öffentliche Apotheke nicht in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis, kann die Versorgung durch den Betrieb einer zweiten Offizin dieser Apotheke mit Lagerräumen an dem Standort, an dem die Notdienstpraxis betrieben wird, erfolgen, wenn die Räume der zweiten Offizin in angemessener Nähe zu dieser Apotheke liegen.“
In § 4 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) wird entsprechend eine Ausnahme von der Raumeinheit eingefügt: „Eine notdienstpraxisversorgende Apotheke kann […] zusätzlich Betriebsräume einer zweiten Offizin mit Lagerräumen an dem Standort, an dem die betreffende Notdienstpraxis betrieben wird, umfassen.“ Vorgaben zur Barrierefreiheit und Vertraulichkeit gelten genauso wie zu Lagebedingungen; Änderungen müssen der Behörde auch angezeigt werden.
Apotheken, die einen entsprechenden Vertrag geschlossen haben, sind während der Öffnungszeiten der jeweils betreffenden Notdienstpraxis zur Dienstbereitschaft verpflichtet – dies gilt entweder für die Apotheke oder auch die sogenannte „zweite Offizin“. Vorgesehen ist, dass die Notdienstpraxis an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr, mittwochs und freitags von 14 bis 21 Uhr und montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 21 Uhr geöffnet hat. Kürzere Öffnungszeiten sind möglich, wenn die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gegenüber dem Krankenhaus nachweist, dass der Betrieb der Notdienstpraxis nicht bedarfsgerecht wäre.
Geld für Spätdienste
Dafür soll es aber extra Geld vom Nacht- und Notdienstfonds (NNF) geben: Apotheken, die mit einer Notdienstpraxis kooperieren, erhalten unabhängig von der Notdienstpauschale einen „pauschalen Zuschuss für jede Kalenderwoche, in der sie während der Öffnungszeiten der jeweils betreffenden Notdienstpraxis geöffnet waren“.
Im Vertrag soll vereinbart werden, dass eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten der Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sichergestellt wird, die Patienten und die Angestellten der Notdienstpraxis informiert und beraten werden, die Apotheke oder die zweite Offizin der Apotheke während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis geöffnet ist, eine ordnungsgemäße Lagerung von Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten auch gewährleistet ist, soweit diese in Räumen an dem Standort, an dem die Notdienstpraxis betrieben wird, erfolgt, und der Zugang zu diesen Räumen dem Personal der Apotheke vorbehalten bleibt und die freie Apothekenwahl der Patienten nicht eingeschränkt wird.
In der Begründung wird noch ausgeführt, dass die „zweite Offizin“ in angemessener Entfernung zur Betriebsstätte der Apotheke liegen muss, damit die Apothekenleitung ihren Verantwortlichkeiten nachkommen kann. „Die freie Apothekenwahl der Patientinnen und Patienten darf durch den Versorgungsvertrag nicht eingeschränkt werden. Es ist ihrer freien Entscheidung überlassen, ob sie die notdienstpraxisversorgende Apotheke oder beispielsweise eine an ihrem Wohnort gelegene Apotheke zur Einlösung von Verschreibungen aufsuchen.“
Selbstdispensation gestrichen
Die Pläne entsprechen exakt dem, was Lauterbach vorgeschlagen hatte und was bereits für massive Kritik gesorgt hatte. So waren im Bundesrat Änderungen gefordert worden, etwa dass nur eine Zweitoffizin pro Apotheke erlaubt wird und in der Notfalloffizin immer eine Apothekerin oder ein Apotheker sein muss. Auch sollten keine Herstellungstätigkeiten in der Notfalloffizin durchgeführt werden; die jeweilige Behörde sollte einen Genehmigungsvorbehalt bekommen. Kritisiert wurde auch, dass gerade einmal Zeiten bis 21 Uhr abgedeckt sind – und dass damit die Stärkung der Apotheken durch eine höhere Notdienstpauschale konterkariert werde. Immerhin: Die Möglichkeit, dass Ärzt:innen in Notfallpraxen ohne Vertrag selbst Medikamente abgeben dürfen, wurde gestrichen.
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