Das NDR-Reportageformat „Strg_F“ ist dem Hype um Tilidin und einem möglichen Zusammenhang zum Deutsch-Rap nachgegangen. Unterstützung hatte Reporter Mirco von Deutsch-Rap-Fan Professor Dr. Gerd Glaeske. Eine Spurensuche um Rap, Arzneimittelmissbrauch und Rezeptfälschungen.
„Mein Neffe schickt mir immer Titel. Capital Bra gefällt mir auch. Davor habe ich Hochachtung, wie die Leute ihre Texte machen, das finde ich schon sehr kreativ, was da an Texten auch vorkommt. Sie sollen nur nicht über Tilidin sprechen“, erzählt der 75-jährige Professor Dr. Gerd Glaeske.
Die Verordnungen nehmen zu. Von 2010 bis heute hat sich die Zahl fast mehr als verdoppelt. Laut Glaeske werde Tilidn inzwischen mengenmäßig so viel verordnet, wie alle anderen stark wirksamen Schmerzmittel wie Oxycodon, Morphin oder Fentanyl zusammen. Das belegen Zahlen zu Verordnungen zulasten der gesetzlichen Kassen. Die Dunkelziffer könne höher liegen, vor allem in puncto Missbrauch, denn bislang stand Tilidin nicht im Fokus.
Mit zunehmendem Alter steige auch die Zahl der Verschreibungen – eigentlich normal. Eine Sache fällt dennoch ins Auge. „Ausgerechnet im Alter von 15 bis 20 eine hohe Verschreibung – wenn man so will, eine Auffälligkeit. Geradezu ein statistischer Ausreißer“, so Glaeske.
Der Hype um Tilidin begann erst vor knapp drei Jahren. Bis 2017 habe das Arzneimittel laut Glaeske überhaupt gar keine Rolle gespielt und nur wenig Bedeutung gehabt. Dann geht es in puncto Verschreibungen steil nach oben. In fast zwei Jahren kommt es zu einem dramatischen Anstieg um fast das Dreißigfache. Aus Sicht von Glaeske ein Ansatz, erneut zu prüfen, ob auch die Tabletten unter das Betäubungsmittelgesetz gestellt werden sollten – analog zu den Tropfen.
Deutsch-Rap und Tilidin
Tilidin ist im Deutsch-Rap immer wieder Thema. Wie „STRG_F“ berichtet, geht es in mehr als 100 Songs um das Arzneimittel, die millionenfach geklickt wurden und zwar in den Jahren, in denen auch die Zahl der Verordnungen zunahm, nämlich seit 2018. Ein Beweis sei das allerdings nicht. Der Hype scheint dennoch ungebrochen, auch wenn in einigen Songs vor Tilidin gewarnt wird.
Achtung, Fälschung
Woher stammt das Tilidin? Ein Anteil kommt über gefälschte Rezepte in Umlauf. Zu haben sind diese unter anderem im Darknet. „STRG_F“ hat fünf Rezepte im Darknet bestellt, jedoch nur ein Privatrezept ist angekommen. Den Arzt gibt es wirklich, der Patient existiert allerdings nicht. Aus dem Darknet gibt es auch Tipps, wie man das Rezept in der Apotheke „richtig“ einlöst – am Abend, wenn keine Rücksprache mit dem Arzt mehr möglich ist oder man tut, als sei man der besorgte Enkel, der das Arzneimittel für die Oma oder den Opa besorgen will. „STRG_F“-Reporter Mirco will das Rezept gemäß der Empfehlung aus dem Darknet nur in Notfallapotheken einlösen. Der erste Versuch klappt nicht – die Apotheke habe das Arzneimittel nicht vorrätig. In der zweiten Apotheke ist der Reporter erfolgreich und hält das Arzneimittel in den Händen.
So erkennst du ein gefälschtes Rezept
Fälschungen können an Manipulationen der Versichertendaten erkennbar sein:
- das Geburtsjahr des Patienten ist nicht zweistellig aufgedruckt
- der Versichertenstatus passt nicht zum Alter des Patienten
- der Versicherungsstatus ist falsch: Status 1 für Versicherungspflichtige und -berechtigte, 2 für Familienversicherte und 3 für Rentner. Auffallen kann dies, wenn der Patient laut Geburtsdatum das Rentenalter noch nicht erreicht haben kann.
- die Telefonnummer im Arztstempel passt nicht zur Praxis
- die Magnetcodierung am rechten unteren Rand des Muster-16-Formulars fehlt.
Aber auch der Arzneistoff selbst, der Einlösezeitpunkt oder die Person selbst können die Alarmglocken läuten lassen.
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