Gestagene: „Wundermittel“ gegen Endometriose?
Schätzungsweise bis zu vier Millionen Frauen leiden hierzulande an Endometriose und jedes Jahr kommen rund 50.000 Neuerkrankungen hinzu. Betroffene leiden oftmals unter starken Schmerzen, unregelmäßigen Monatsblutungen und einer ungewollten Kinderlosigkeit. Zur Linderung der Beschwerden kommen neben Schmerzmitteln auch Gestagene ins Spiel. Wie wirksam diese sind, belegen aktuelle Studienergebnisse.
Endometriose ist durch das heterotope Wachstum von Gewebe gekennzeichnet. Sprich: Der Gebärmutterschleimhaut ähnliches Gewebe wächst und siedelt sich beispielsweise an Eierstöcken, dem Darm oder am Bauchfell an. Zwar unterliegt auch dieses Gewebe den monatlichen hormonellen Veränderungen und wird also wieder abgestoßen, anders als bei der Gebärmutterschleimhaut erfolgt dies jedoch nicht über die Scheide. Stattdessen verbleibt das abgestoßene Gewebe im Körper. Die Folgen: Entzündungen, Verwachsungen und Zysten. Die Erkrankung ist sexualhormonabhängig und steht unter Östrogeneinfluss. Ist der Spiegel hoch, verschlimmert sich die Erkrankung. Ein Mangel führt wiederum zu einer Rückbildung.
Die Einnahme oraler Kontrazeptiva – genau der „Minipille“ – oder das Einsetzen einer Spirale sollen zur Linderung der Beschwerden beitragen. Denn die enthaltenen Gestagene täuschen dem Körper eine Schwangerschaft vor, wodurch die Östrogenproduktion gehemmt und damit auch der Aufbau der Schleimhaut gestoppt wird.
Doch über das Für und Wider von Gestagenen gegen Endometriose wird immer wieder diskutiert. Nicht zuletzt aufgrund möglicher Nebenwirkungen wie Thrombenbildung, Migräne oder Depressionen. Dabei zeigen die Hormone eine gute Wirksamkeit und können die Lebensqualität von Betroffenen erhöhen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie.
Gestagene gegen Endometriose: Wirksam und verträglich
Ein Forscherteam der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität von Ottawa (Kanada) hat in einer Studie Nutzen und Wirkung von Gestagenen im Vergleich zu Placebo und anderen Medikamenten überprüft. Dabei wurden für das Review Ergebnisse aus 33 randomisierten kontrollierten Studien mit rund 5.000 Endometriose-Patientinnen herangezogen. Verglichen wurde der Einsatz von oralen und Depot-Gestagenen mit Placebo, oralen Kontrazeptiva, Etonogestrel-Implantaten sowie Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Agonisten und -Antagonisten.
Dabei zeigte sich: Verglichen mit Placebo führten Gestagene bei Endometriose zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und einer Schmerzlinderung. Konkret wurden Beschwerden wie Gesamtschmerzen, Unterleibsschmerzen und Dysmenorrhoe unter der Behandlung deutlich verringert. Auch im Vergleich zu anderen Arzneimitteln zeigten sich mitunter Vorteile, allerdings fielen diese nicht signifikant aus. Die Forschenden betonen jedoch einmal mehr das „Gleichgewicht zwischen Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Patientenzufriedenheit“ bei Gestagenen gegen Endometriose.
Übrigens: Laut S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Endometriose“ werden alle Formen der Hormontherapie als gleichwertige Behandlungsoptionen betrachtet. Dazu zählen neben Gestagenen auch kombinierte orale Kontrazeptiva sowie GnRH-Agonisten und -Antagonisten.
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