Eine SARS-CoV-2-Infektion kann symptomlos oder mit einem Atemversagen verlaufen. Warum einige Patienten leichte und andere schwere Krankheitsverläufe haben, könnte mit den unterschiedlichen Blutgruppen zusammenhängen. Forschern vom Universitätsklinikum Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe aus Norwegen herausgefunden, dass der Verlauf von Covid-19 vom Gen für die Blutgruppeneigenschaft beeinflusst werden kann.
Die Blutgruppen A und 0 sind mit 43 Prozent beziehungsweise 41 Prozent, die in Deutschland häufigsten Blutgruppen. Wie die im Fachmagazin „The New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studienergebnisse zeigen, haben Menschen der Blutgruppe A ein um etwa 50 Prozent höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf als Personen mit anderen Blutgruppen. Für Menschen mit der Blutgruppe 0 konnten die Forscher ein um knapp 50 Prozent geringeres Risiko für schwere Krankheitsverläufe ermitteln. Als Ursache für die unterschiedliche Schwere einer Infektion konnten die Wissenschaftler eine Genvariante auf dem Chromosom ausmachen, das für die Blutgruppeneigenschaft verantwortlich ist.
Covid-19 und Blutgruppe: Die Studie
Das Team um Professor Dr. Andre Franke, Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB), sowie Professor Dr. David Ellinghaus und Frauke Degenhardt – beide ebenfalls vom IKMB – hat Blutproben von insgesamt 1.980 Covid-19-Intensivpatienten, die mit Sauerstoff behandelt oder an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden mussten, analysiert. Die Patienten wurden in den Epizentren der Corona-Krise – Norditalien und Spanien – in Krankenhäusern behandelt. Für die Kontrollgruppe wurden 2.205 zufällig ausgewählte Männer und Frauen beider Länder einbezogen.
Binnen zwei Wochen wurde im Institut für Klinische Molekularbiologie in Kiel die DNA aus den Blutproben isoliert und aus jeder einzelnen 8,5 Millionen Positionen des Erbguts mit sogenannten Biochips (SNP-Arrays) vermessen. „Mithilfe dieser großen Datenmenge haben wir wirklich interessante Regionen im Genom identifiziert, die das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 verringern beziehungsweise erhöhen“, sagt Ellinghaus. „Wir konnten, vereinfacht gesprochen, auf einer sehr großen Landkarte zeigen, wo die Musik spielt.“
Zwei Auffälligkeiten
Neben dem Genort, der die individuelle Blutgruppe bestimmt, fanden die Wissenschaftler eine noch höhere Effektstärke für eine genetische Variante auf dem Chromosom 3. „Mit dem Chromosom 3 und dem AB0-Blutgruppen-Lokus beschreiben wir echte Ursachen für den schweren Verlauf von Covid-19“, sagt Franke. „Unsere Ergebnisse schaffen daher eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung von Wirkstoffen, die an den gefundenen Kandidatengenen ansetzen können. Eine klinische Studie, in der etwa ein Medikament getestet wird, hat erwiesenermaßen doppelt so häufig Erfolg, wenn eine genetische Evidenz für das Therapieziel bereits vorliegt.“
Auf dem Chromosom 3 sind mehrere Gene lokalisiert, welche jedoch verantwortlich sind, wissen die Forscher bislang noch nicht. Allerdings konnte die Analyse nachweisen, dass die Anlagenträger einem um 100 Prozent höheren Risiko ausgesetzt sind, schwer an Covid-19 zu erkranken, als Menschen, die diese Variante nicht tragen. „Die Ergebnisse waren für uns sehr spannend und überraschend“, so Franke. Gerade das Chromosom 3 war noch niemals zuvor mit Covid-19 in Zusammenhang gebracht worden.
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