Die Senkung des Umsatzsteuersatzes ist Teil des großen Konjunkturpakets, das die Wirtschaft ankurbeln und das Konsumverhalten der Bürger in Schwung bringen soll. Etwa 20 Milliarden Euro kostet allein die Mehrwertsteuersenkung, die zeitlich auf das zweite Halbjahr 2020 begrenzt ist. Ob die Maßnahme den gewünschten Effekt erzielt, zeigt eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. So viel vorweg: Ein höherer Kinderbonus und die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes hätten der Konjunktur wohl mehr gebracht.
Der Umsatzsteuersatz wurde vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent gesenkt. Für Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs beträgt die Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 5 statt 7 Prozent. Ob der dadurch erhoffte Konjunkturaufschwung eintritt und die Menschen ihr Konsumverhalten ändern, wurde im Rahmen einer Online-Befragung vom 18. bis 29. Juni mit insgesamt 6.309 Erwerbstätigen ab einem Alter von 16 Jahren untersucht.
Mehrwertsteuersenkung: Top oder Flop für das Konsumverhalten?
„Die Senkung der Mehrwertsteuer bis Ende 2020 dürfte dem privaten Konsum und der Konjunktur in Deutschland nur einen relativ überschaubaren Impuls geben“, schreibt die Hans-Böckler-Stiftung. „Größere Effekte hätten die dafür im Konjunkturpaket der Bundesregierung eingesetzten Mittel wahrscheinlich erzeugt, wenn sie in einen höheren Kinderbonus oder eine stärkere Aufstockung des Kurzarbeitergeldes geflossen wären.“
Knapp 75 Prozent der Befragten gaben an, trotz Mehrwertsteuersenkung ihr Konsumverhalten im zweiten Halbjahr 2020 nicht verändern zu wollen. Nur wenige Teilnehmer*innen wollen Anschaffungen vorziehen (14,4 Prozent) oder die Mehrwertsteuersenkung für zusätzliche nicht geplante Anschaffungen nutzen (3,2 Prozent).
„Unter dem Strich seien die Effekte der Steuersenkung jedoch eher begrenzt‘“, heißt es. Schließlich würde nur relativ wenig Konsum durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes zusätzlich oder vorgezogen generiert.
Kinderbonus und Aufstockung des Kurzarbeitergeldes effektiver?
Die Umfrage zeigt jedoch, dass eine Erhöhung des Kinderbonus und eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes stärkere Auswirkungen auf das Konsumverhalten gehabt hätten.
Das Konjunkturpaket beinhaltet einen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro je Kind, für das mindestens in einem Monat im laufenden Jahr Anspruch auf Kindergeld besteht. Ausgezahlt werden soll der Bonus ab September. 4,3 Milliarden Euro kostet der Kinderbonus, von dem vor allem Familien mit niedrigeren und mittleren Einkommen profitieren sollen.
Die Umfrageteilnehmer wurden allerdings nicht speziell zum Kinderbonus, aber zu einer Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro befragt. Etwa 80 Prozent erklärten, sie würden bei einer Einmalzahlung ihren Konsum erhöhen. Allerdings würde nicht der gesamte Betrag ausgegeben werden – etwa 415 Euro würden in die Konjunktur fließen, etwa 400 Euro gespart und knapp 185 Euro würden zur Tilgung von Schulden verwendet werden.
Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass Erwerbstätige, die keine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes erhalten haben, ihre Ausgaben signifikant häufiger reduziert haben als andere Befragte.
Das Fazit: „Eine andere Gewichtung der Maßnahmen im Konjunkturpaket – etwa ein höherer Kinderbonus oder eine großzügigere Aufstockung des Kurzarbeitergeldes – hätte nach diesen Ergebnissen zu einem größeren konjunkturellen Impuls geführt“, schreiben die Studienautoren Professor Dr. Sebastian Dullien und Jan Behringer – und raten dazu, im Falle weiterer Pakete zur Konjunkturstützung entsprechend anders zu gewichten.
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