Zweifel, Ängste, Egoismus: Corona als „Zerreißprobe“ für Jüngere
Seit rund zehn Monaten hat uns das Coronavirus weltweit fest im Griff. Und auch wenn sich in Sachen Impfstoffentwicklung inzwischen Fortschritte zeigen, dürfte es noch einige Zeit dauern, bis sich wieder Normalität einstellt – wenn dies überhaupt möglich ist. Die aktuellen Entwicklungen schlagen dabei insbesondere der jüngeren und mittleren Generation auf das Gemüt. Für sie wird Corona zur „Zerreißprobe“, wie eine neue Studie zeigt.
In der aktuellen Krise ist das oberste Gebot, Risikopatient*innen bestmöglich zu schützen. Dazu zählen neben Personen mit Vorerkrankungen vor allem ältere Menschen, bei denen die Gefahr für einen schweren oder tödlichen Verlauf hoch ist. Somit galt es bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr, beispielsweise auf Besuche bei den Großeltern oder in Pflegeheimen zu verzichten. Im Umkehrschluss ist die Sorge vor den Folgen der Kontaktbeschränkungen für Ältere groß. Doch wie verschiedene Studien zeigen, entwickelt sich Corona eher zur „Zerreißprobe“ für jüngere Menschen. Die Ergebnisse aus zwei US-amerikanischen Untersuchungen verdeutlichen, dass die seelische Belastung durch die Krise zwar insgesamt in verschiedenen Altersgruppen zugenommen hat. Allerdings zeigen sich bei Menschen unter 30 Jahren deutlich häufiger Anzeichen und Symptome für psychische Leiden. Ähnliche Resultate ergaben weitere Befragungen aus den Niederlanden und der Schweiz. Und auch in Deutschland lässt sich beobachten, dass vor allem die mittlere Generation unter den Folgen der Krise leidet.
Corona als „Zerreißprobe“: Egoismus statt Solidarität
Im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft hat das Institut für Demoskopie Allensbach die Studie „Die #GenerationMitte im Corona-Jahr 2020“ durchgeführt. Dazu wurden zwischen Mitte Oktober und Anfang November 2020 mehr als 1.000 Menschen aus der Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen befragt. Denn „diese Generation trägt die wirtschaftliche Leistung des Landes, finanziert die sozialen Sicherungssysteme und prägt gleichzeitig die nächste Generation. Damit ist sie auch eine Generation, die in besonderer Weise von der Ausnahmesituation betroffen ist, in der sich Deutschland und große Teile der Welt seit dem Frühjahr 2020 befinden“, so die Studie.
Die Teilnehmer*innen wurden unter anderem zu ihren aktuellen Einstellungen befragt. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass es ihnen persönlich derzeit schlechter gehe als vor der Krise (48 Prozent). Die Mehrheit (60 Prozent) glaubt zudem, dass die Corona-Krise zu einer starken oder sehr starken Veränderung in der Gesellschaft geführt habe. Dies jedoch nicht zum Positiven: Anstatt der oftmals von der Politik und Gesundheitsexpert*innen geforderten Solidarität nehmen viele Befragte eher steigende Aggressivität (70 Prozent), wachsenden Egoismus (rund 50 Prozent) sowie sinkende Toleranz und Meinungsfreiheit wahr. „Corona wirkt wie ein Spaltpilz“, schlussfolgert Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach.
Sorgen um eigene Zukunft wachsen bei Jüngeren
Unsicherheit bildet den größten Faktor, um Corona zur „Zerreißprobe“ werden zu lassen. Denn für einen Großteil der Umfrageteilnehmer*innen selbst ist es belastend, nicht zu wissen, wann die Krise endet (70 Prozent) und wie gefährlich das Virus ist (54 Prozent). Hinzu kommen Sorgen um die wirtschaftliche Situation des Landes sowie die eigene Situation. 38 Prozent gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren zurückfallen wird. Folglich hat knapp ein Viertel der Befragten (23 Prozent) Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Immerhin mussten im Zuge der Krise 28 Prozent bereits selbst finanzielle Einbußen hinnehmen.
Auch die Zukunftsaussichten sind eher gedämpft. Nicht einmal jeder Vierte (22 Prozent) blickt optimistisch auf die kommenden zwölf Monate, im Vorjahr waren es noch mehr als doppelt so viele (47 Prozent). Demgegenüber ist mehr als ein Drittel (37 Prozent) sehr pessimistisch eingestellt. Der Großteil der Befragten (70 Prozent) geht außerdem davon aus, dass die aktuelle Ausnahmesituation noch lange bestehen bleibt und nicht binnen weniger Monate aufgelöst werden kann.
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