Für viele Angestellte führt angesichts von Personalmangel und Corona-Ausfällen an Überstunden kein Weg vorbei, nicht nur in der Apotheke. Die geleisteten Extrastunden müssen vergütet werden, und zwar oftmals mit Zuschlägen. Entscheidend ist: Bei der Berechnung der Vergütung von Mehrarbeit darf Urlaub nicht abgezogen werden.
„Urlaubszeiten zählen bei der Berechnung tariflicher Mehrarbeitszuschläge mit“, stellt der DGB Rechtsschutz klar und bezieht sich dabei auf einen Fall vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Darin ging es um die Frage, ob bei der Vergütung von Überstunden nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt werden dürfen und Urlaub abgezogen werden darf. Der Reihe nach.
Geklagt hatte ein Angestellter, der als Leiharbeiter in einem Betrieb beschäftigt war. Gemäß Tarifvertrag standen ihm bei einer monatlichen Arbeitszeit von mehr als 184 Stunden in 23 Tagen Mehrarbeitszuschläge von 25 Prozent zu. Diese Zuschläge machte er auch für einen Monat geltend, in dem er innerhalb von 13 Tagen knapp 122 Stunden und somit durchschnittlich 1,4 Überstunden pro Tag angesammelt hatte. Die übrigen zehn Arbeitstage entfielen auf den Jahresurlaub, der weitere rund 85 Arbeitsstunden ausmachte. Somit kam in den Augen des Beschäftigten eine Arbeitszeit von knapp 207 Stunden, also 23 Überstunden, für den Monat zusammen.
Der Arbeitgeber weigerte sich jedoch, die entsprechenden Zuschläge zu zahlen. Denn bei der Berechnung müsse gemäß Tarifvertrag nur die tatsächliche geleistete Arbeitszeit berücksichtigt werden, nicht jedoch der Urlaub.
Zur Erinnerung: Gemäß Bundesrahmentarifvertrag steht Apothekenmitarbeiter:innen für jede als Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit geleistete Arbeitsstunde die Grundvergütung von 1/173 des Tarifgehalts sowie ein Zuschlag zu. Für Überstunden gibt es von der 41. Wochenstunde bis zur 50. einen Zuschlag von 25 Prozent, ab der 51. Stunde sind es 50 Prozent.
Vergütung von Mehrarbeit: Urlaub darf nicht abgezogen werden
Der Fall landete über mehrere Instanzen vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG), das wiederum den EuGH anrief. Denn: „Ein Tarifvertrag, der für die Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt, könnte gegen Unionsrecht verstoßen“, so das BAG. Das sahen auch die Richter:innen in Luxemburg so und gaben dem Angestellten Recht.
Demnach darf bei der Frage nach der Vergütung von Mehrarbeit Urlaub nicht einfach abgezogen werden. Immerhin handelt es sich beim Jahresurlaub um ein fest verankertes Recht von Arbeitnehmenden, von dessen Inanspruchnahme sie nicht abgehalten werden dürfen. Genau dies könnte jedoch durch die entsprechende Regelung im Tarifvertrag passieren. „Somit ist ein Mechanismus zur Anrechnung von Arbeitsstunden, […] bei dem die Inanspruchnahme von Urlaub für den Arbeitnehmer ein geringeres Entgelt nach sich ziehen kann, da dieses um den für tatsächlich geleistete Überstunden vorgesehenen Zuschlag beschnitten wird, dazu geeignet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, in dem Monat, in dem er Überstunden erbracht hat, von seinem Recht auf bezahlten Jahresurlaub Gebrauch zu machen“, heißt es im Urteil. Nun müsse das BAG den Fall endgültig entscheiden.
„Der bezahlte Jahresurlaub ist ganz wesentlich für die Erhaltung der Gesundheit der Beschäftigten. Deswegen darf derjenige, der dieses europäische Grundrecht in Anspruch nimmt, nicht schlechter gestellt werden, als wenn er gearbeitet hätte“, stellt der DGB Rechtsschutz klar.
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