Die Zahl der Corona-Infektionen steigt. Von Mittwoch auf Donnerstag wurden dem Robert-Koch-Institut mehr als 4.000 Neuinfektionen von den Gesundheitsämtern übermittelt. Apotheken sind in Sorge und wollen ihre Teams schützen und den Betrieb aufrechterhalten. Eine Möglichkeit ist die Arbeit im Wechseldienst. Doch wer in Schichten arbeitet, kommt mitunter nicht auf die vertraglich vereinbarte Stundenzahl und es stellt sich die Frage, ob der Chef die Wochenarbeitszeit einfach kürzen darf?
Schon zu Beginn der Pandemie setzten einige Apotheken auf die Arbeit in festen Teams, allerdings wurde die Maßnahme im Zuge der sinkenden Zahl an Neuinfektionen wieder abgeschafft. Knapp 12 Prozent der Apotheken setzten im Juni noch auf den getrennten Dienstplan, während 33 Prozent die Schutzmaßnahme zwar ergriffen, aber wieder abgeschafft haben, wie eine aposcope-Umfrage zeigt.
Bei der Arbeit in festen Teams und im Wechseldienst haben die Kolleg*innen der zwei oder mehr Teams keinen persönlichen Kontakt zum anderen Team. Infiziert sich ein Teamkollege aus dem einen Team mit dem neuartigen Coronavirus, ist es wahrscheinlich, dass nur die Kolleg*innen des einen Teams in Quarantäne müssen und ein anderes Team den Apothekenbetrieb aufrechterhalten kann. So könnte eine Komplettschließung umgangen werden. Allerdings ist das zuständige Gesundheitsamt das Zünglein an der Waage, denn das entscheidet über das Ausmaß der Quarantäne.
Befindet sich eine Apotheke im Wechseldienst, ändert das nichts daran, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter*innen grundsätzlich im Umfang der im Arbeitsvertrag vereinbarten Wochenstundenzahl zu beschäftigen hat. Was gilt, wenn durch den Wechseldienst die Arbeitszeit unterschritten wird?
Wochenarbeitszeit kürzen: Was ist erlaubt?
Wird ein Arbeitstag auf zwei Teams aufgeteilt, kommen Vollzeitkräfte nicht auf ihre vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit. „Der Arbeitgeber ist jedoch nicht dazu berechtigt, die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit sowie das daraus resultierende Gehalt einseitig zu kürzen“, schreibt die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK). Wird die vereinbarte Wochenarbeitszeit nicht in vollem Umfang vom Arbeitgeber abgerufen, ist vom sogenannten Annahmeverzug die Rede und der Arbeitnehmer behält seinen vollen Gehaltsanspruch. Außerdem müssen die angefallenen Minusstunden nicht nachgearbeitet werden.
Anders sieht es aus, wenn ein Jahresarbeitszeitkonto nach § 4 Bundesrahmentarifvertrag vereinbart ist. Denn dieses ermöglicht flexible Arbeitszeiten in einem festgelegten Rahmen. Das Konto muss am Jahresende ausgeglichen sein. Wer in Vollzeit arbeitet, hat eine flexible wöchentliche Arbeitszeit von 29 bis 48 Stunden, vorausgesetzt die Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum von zwölf Monaten beträgt durchschnittlich 40 Stunden. Mit Teilzeitmitarbeiter*innen kann eine wöchentliche Arbeitszeit von 75 bis 130 Prozent ihrer vertraglichen Arbeitszeit vereinbart werden, wenn die Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum durchschnittlich die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit beträgt. Der Ausgleichszeitraum sollte sowohl bei Teilzeit- als auch bei Vollzeitbeschäftigten dem Kalenderjahr entsprechen.
Was ist eigentlich mit Überstunden?
Quarantäne, ausgefallene Kinderbetreuung oder Krankheit von Kolleg*innen können das Team auf eine harte Probe stellen und mitunter Überstunden bedeuten. Diese dürfen in besonderen Notfällen vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden. Von einem Notfall ist in der Regel bei außergewöhnlichen Fällen die Rede, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind. Fallen Überstunden an, könne diese in Form von Geld oder Freizeit vergütet werden. Die BLAK gibt Folgendes zu bedenken: „Der Arbeitgeber musste im Rahmen seiner Fürsorgepflicht bei Nutzung der durch diese Verordnung ermöglichten Abweichungen vom Arbeitszeitschutz stets abwägen, ob eine Abweichung unter Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers angesichts des außergewöhnlichen Notfalls zu vertreten war.“
Kann der Chef Urlaub anordnen?
Wer kennt es nicht: In der Apotheke ist wenig los und die Frage nach Überstundenabbau kommt auf – wer die meisten hat, kann sich über einen spontanen freien Nachmittag freuen. Was aber, wenn Mitarbeiter*innen nach Hause gehen und für den Tag Urlaub nehmen sollen? Die BLAK liefert die Antwort: „Zwar kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer grundsätzlich nach Hause schicken. Aber er kann nicht verlangen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ‚wegen Corona‘ Urlaub nimmt. Vielmehr besteht der Gehaltsanspruch unverändert weiter.“
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