Deutschland galt einst als Apotheke der Welt, davon ist heute kaum noch etwas zu spüren, denn der überwiegende Teil der Wirkstoffe, die hierzulande verschrieben und gebraucht werden, kommt aus Asien. Denn dorthin hat sich die Wirkstoffproduktion oftmals verlagert. Dass dies tatsächlich so ist, belegt eine Studie, die im Auftrag von Pro Generika durchgeführt wurde.
Die traurige Wahrheit: Europa hat seine Spitzenposition in puncto Wirkstoffproduktion eingebüßt – Asien hat die Nase vorn. Die Studie „Woher kommen unsere Wirkstoffe? Eine Weltkarte der API-Produktion“, die die Unternehmensberatung MundiCare Life Science Strategies durchgeführt hat, liefert eine faktenbasierte Übersicht der Herstellungsstätten von mehr als 500 Wirkstoffen. Basis ist eine Analyse der Wirkstoffzertifikate (der sogenannten CEP) – das ist die wichtigste Form der Wirkstoffzulassungen.
CEP steht für Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia. Die Wirkstoffzertifikate werden vom Wirkstoffhersteller beim Europäischen Direktorat für Arzneimittelqualität (EDQM) beantragt, das als Kontrollinstanz dient. Der Hersteller legt dem EDQM den Syntheseweg offen, der von den Experten geprüft werden muss. Erst wenn keine Risiken oder Mängel festgestellt werden, vergibt die Behörde das CEP. Die Zertifizierung ist für den Inverkehrbringer respektive Zulassungsinhaber eine „Black-box“, sie müssen sich daher auf das CEP und damit auf die Kontrolle durch das EDQM verlassen. Widerruft das EDQM ein CEP (withdrawal) oder setzt es befristet außer Kraft (suspension), ist der Zulassungsinhaber aufgefordert, eigenverantwortlich die notwendigen Schritte einzuleiten.
Die Studie hat die Herkunft der hierzulande benötigten Wirkstoffe untersucht und zeigt eine Entwicklung, die vor 20 Jahren begonnen und zu einer starken Abhängigkeit seitens der europäischen Arzneimittelversorgung von der Wirkstoffproduktion in Asien geführt hat.
Wirkstoffproduktion und die Abhängigkeit von Asien
Das Ergebnis: Zwei Drittel der untersuchten, für die Produktion notwendigen Zulassungen befinden sich in indischen und chinesischen Standorten – und die verteilen sich auf nur wenige Provinzen. Für rund ein Sechstel der untersuchten generischen Wirkstoffe gibt es keine europäischen Herstellungsstätten.
Was kommt eigentlich noch aus Europa? Auch die Frage kann die Studie beantworten. In Europa würden vor allem Wirkstoffe mit vergleichsweise niedrigem Produktionsvolumen hergestellt sowie solche, deren Produktion komplex ist.
„Mit unserer Studie zeigen wir auf, wie Europa seine dominante Stellung bei der Herstellung der Wirkstoffe eingebüßt hat. Hauptsächlich ungleiche regulatorische Rahmenbedingungen und ein massiver Kostendruck haben dazu geführt, dass die europäische Versorgung heute in hohem Maße von nur wenigen Wirkstoffherstellern in sehr kleinen Teilen der Welt abhängt. Das birgt Risiken für die Versorgung“, sagt Dr. Andreas Meiser, Studienautor und Geschäftsführer von MundiCare Life Science Strategies.
Die Studienergebnisse zeigen nicht nur die Abwanderung der Wirkstoffproduktion, sondern belegen auch, wo es in Europa noch Wirkstoffzulassungen gibt. Konkret ermittele die Studie für eine Auswahl wichtiger Wirkstoffe, zu wieviel Prozent deren europäischer Bedarf derzeit in Europa beziehungsweise in Asien hergestellt werde.
„Wir sehen hier auch eine gute Nachricht. Denn es werden noch Wirkstoffe in Europa hergestellt – und zwar in nennenswertem Ausmaß. Jetzt sollte es der Politik darum gehen, die (noch) vorhandene Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln zu stärken und dadurch weitere Abwanderungsbewegungen zu stoppen. Das tut sie am besten, indem sie die Rahmenbedingungen ändert, die überhaupt erst zur Verlagerung nach Asien geführt haben. Es muss endlich Schluss sein mit dem extremen Kostendruck auf der Grundversorgung. Nur so können wieder Freiräume für mehr Resilienz in den Lieferketten entstehen und die Versorgung sicherer werden“, so Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer.
„Es darf uns bei der Diskussion über mehr Liefersicherheit nicht nur um Wirkstoffe gehen. Diese allein machen noch kein Arzneimittel aus. Eine robustere Produktion von generischen Medikamenten – auch in Europa – muss alle Fertigungsschritte umfassen und sollte unser großes politisches Ziel sein.“
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