Weniger ist mehr: Zu viele Testosteron-Verordnungen
Testosteron zählt zu den Steroidhormonen und spielt eine unverzichtbare Rolle im Hormonhaushalt. Kommt es zu einem Mangel an dem Sexualhormon, finden Testosteronpräparate Anwendung – offenbar zunehmend auch off-label. Expert:innen warnen vor einem drastischen Anstieg an Testosteron-Verordnungen.
Testosteronpräparate kommen in verschiedenen Darreichungsformen zum Einsatz, um einen Hypogonadismus – eine Störung der Testosteron-Produktion – zu behandeln. Eigentlich. Denn auch als Anti-Aging-Methode, zur Leistungssteigerung oder bei altersbedingtem Libidoverlust erfreuen sich entsprechende Mittel Beliebtheit. Bereits vor rund zwei Jahren warnte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass Testosteronpräparate nicht zur Lifestyle-Anwendung genutzt werden sollten.
Nun zeigen aktuelle Daten: Die Verordnungszahlen von Testosteronpräparaten haben sich in den letzten Jahren deutlich erhöht, genau um 415 Prozent. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schlägt Alarm und sieht einen Hinweis auf eine Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikation – sprich off-label.
Zur Erinnerung: Zugelassen sind Testosteron-haltige Arzneimittel zur Testosteronersatztherapie bei männlichem Hypogonadismus, sofern ein Testosteronmangel sowohl klinisch als auch labordiagnostisch mehrfach nachgewiesen wurde. Einige Präparate kommen zudem zur Behandlung der chronischen Form der aplastischen Anämie, eines übermäßigen Längenwachstums und bei verspätetem Einsetzen der Pubertät zum Einsatz. Als Grenzwert für den Testosteronspiegel gelten zwischen 7 und 12 nmol/l, gemessen zwischen acht und zehn Uhr morgens in nüchternem Zustand.
Testosteron-Verordnungen oft ohne Diagnose
In einer vom BfArM initiierten Studie, die im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit erschienen ist, zeigte sich nicht nur ein genereller Anstieg an Verordnungen, sondern auch, dass bei rund einem Drittel der Rezepte keine entsprechende Diagnose angegeben wurde, die auf eine zugelassene Indikation hinweisen könnte. Und selbst wenn diese vermerkt war, wurde nur teilweise die gemäß Fachinformation geforderte doppelte Testosteronmessung dokumentiert. Hinzukommt, dass der Anstieg der Verordnungen am deutlichsten in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen war und die Patienten ihre Rezepte zunehmend von Hausärzt:innen erhielten.
All dies deutet auch den Studienautor:innen zufolge auf einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch hin. Denn es erscheine nicht plausibel, „dass sich die Prävalenz der zugrunde liegenden Indikationen in diesem Ausmaß geändert hat“, heißt es im Bulletin.
Das BfArM nimmt die Studienergebnisse daher zum Anlass, einmal mehr für die Thematik zu sensibilisieren. Außerdem appellieren sie an Mediziner:innen, bei der Verschreibung entsprechender Präparate verantwortungsvoll vorzugehen. Der Grund: Die Anwendung ist mit Gefahren verbunden. So steigt nicht nur das Risiko einer übermäßigen Bildung von roten Blutkörperchen und damit die Thrombosegefahr, sondern auch das Risiko von Prostatatumoren.
Eine Verschärfung der Verschreibungskriterien habe in anderen Ländern den ansteigenden Trend zumindest teilweise aufgehalten oder sogar umgekehrt.
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