In Berlin ist die Zeit der ausgefüllten Zettel vorbei. Denn der Sprechstundenbedarf kann nur noch digital bestellt und beliefert werden. Dies sei der Wunsch der Ärzt:innen, so die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KVBE). Das Ziel: Der Sprechstundenbedarf soll transparenter, schneller und automatisiert genehmigt werden. Allerdings
Seit Januar 2021 hat das Papierverfahren beim Sprechstundenbedarf in Berlin ausgedient und die Bestellungen werden über das elektronische Bestellformular durchgeführt. Ärzt:innen müssen bisher im analogen sowie im elektronischen Interimsverfahren – unter anderem darauf achten, für apothekenpflichtige und nicht apothekenpflichtige Produkte unterschiedliche Formulare zu verwenden. Im Analogverfahren mussten die ausgefüllten Formulare per Post zum Kostenträger, dies wird momentan per Schnittstelle erledigt. Nach der Genehmigung machte sich der Brief im Analogverfahren wieder auf den Weg zurück in die Praxis, die das Formular an die Apotheke weiterleitete. Ein Verfahren, dass Zeit kostete und die Gefahr barg, dass die vereinbarten Belieferungsfristen nicht eingehalten wurden oder dass Briefe auf dem Weg verloren gingen. Von Qualität und Schnelligkeit keine Spur. Dies hat sich über die Einführung des elektronischen Bestellformulars im Interimsverfahren nicht verbessert. Mitunter werden sechs Wochen Zeit für die Genehmigung benötigt – Zeit, die für die Versorgung der Praxen fehlt.
Aber das elektronische Bestellformular brachte keine Verbesserung in Zeit und Qualität der Genehmigungspraxis und auch die Genehmigung nimmt weiterhin vier bis sechs Wochen in Anspruch, erfolgt in diesem Jahr eine Umstellung.
In Berlin wird der Prozess umgestellt und voll digital. Dazu brauchte die KVBE einen Partner. Im November 2022 startete die Ausschreibung und HMM erhielt den Zuschlag, sodass das neue Modell bereits seit Juni 2023 erprobt wird. „Jetzt befinden wir uns in der Testphase“, so Janin Kanter, Arzneimittelexpertin und Verordnungsberaterin der KVBE.
Am 1. September folgt der „echte Rollout“ für alle Praxen. Weil aber noch die Sprechstundenbedarfsvereinbarung umgebaut werden muss, werden die umfassenden Funktionen, wie die automatische Genehmigung und die Abrechnungsmögichkeit des digitalen Sprechstundenbedarfs erst ab Ende November vollumfänglich zur Verfügung stehen. „Die Sprechstundenbedarfsversorgung wird reformiert; dazu benötigen wir ein neues Vertragswerk. Außerdem muss die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots technisch unterstützt werden.“
Das Ziel des Projektes: Durch Automatisierung des Genehmigungsverfahrens soll der Sprechstundenbedarf transparenter, schneller und für die Ärzt:innen in puncto Kosten und Produktauswahl überschaubarer gemacht werden. Außerdem haben künftig auch die Praxismitarbeiter:innen einen eigenen Zugang zum System.
Welche Vorteile hat der digitale Sprechstundenbedarf für die Apotheken?
„Bei den Apotheken kommt ein sauberer Datensatz aus dem Artikelstamm der Lauer-Taxe an, der ohne Rückfragen bearbeitet werden kann“, sagt Claus Munsch von HMM. „Der Datensatz wird bereits bei der Beauftragung in der Praxis gegen alle Vorgaben plausibilisiert und ist bei vorliegender Genehmigungspflicht bereits vom Kostenträger genehmigt, so dass Apotheken nahezu keine Retax-Angst haben müssen.“ Zudem werde es keine Freitexte mehr geben. „So wie das Rezept ankommt, so wird es auch beliefert“, ergänzt Frau Kanter.
Die digitale Sprechstundenbedarfsbestellung besteht aus strukturierten Daten, denn im System sind Datenbanken und Regelwerke hinterlegt. „Im Idealfall handelt es sich um einen Dunkelverschreibungsprozess“, so Munsch und ergänzt „Natürlich werden wir die Shopsysteme der Apotheken anbinden, um größtmögliche Prozesskosteneinsparung für die Apotheken zu ermöglichen. Das bedeutet: Die Praxis erstellt die Bestellung, diese wird genehmigt und an den Leistungsträger – die Apotheke – übermittelt, diese liefert und die Praxis bestätigt den Wareneingang. Im Anschluss wird der Abrechnungsdatensatz erstellt und das Geld geht an die Apotheke.
Ein weiterer Vorteil. „Die Leistungserbringer bekommen einen anderen Marktzugang“, so Munsch. Den Apotheken stehe der gesamte Berliner Markt offen.
Alles, was die Apotheke benötigt, ist eine Registrierung bei HMM. Wer sich nicht registriert, kann von den Vorteilen der Plattformversorgung künftig nicht profitieren. „Der Zugang ist barrierefrei. Eine Gebühr oder Fixkosten fallen nicht an“, so Munsch. Noch ist auch die Nutzung kostenfrei. Ab November zahlen Leistungserbringer eine Gebühr in Höhe von 1,5 Prozent vom Bruttoabrechnungswert. Apotheken, die sich nicht HMM registrieren, können dennoch Praxen mit Sprechstundenbedarf versorgen. Möglich ist dies dann über den „alten“ Weg per Ausdruck.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
Vernebler: Apotheken müssen Versorgungsanzeige stellen
Winterzeit ist Erkältungszeit. In den Apotheken werden wieder vermehrt Vernebler zur Miete und zum Verbleib geliefert. Die Versorgung mit Hilfsmitteln …
Ersatzkassen legen Mindestanforderungen für E-Rezept-Retax fest
Zahlreiche Formfehler und Vorgaben haben beim E-Rezept Retaxpotenzial. Doch wie die Kassen eine Absetzung vornehmen, ist noch nicht geklärt. Regelungen …
E-Rezept: Dosierung für Patient:innen Black-Box
Der Großteil der E-Rezepte wird durch Stecken der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in den Apotheken eingelöst. Die Angabe der Dosierung können …