Rund 70.000 Euro Abfindung wegen Machtmissbrauch und sexueller Belästigung
Egal ob durch Kolleg:innen, Kund:innen oder den/die Chef:in: Sexuelle Belästigung ist ein No-Go, auch am Arbeitsplatz. Kommt es dennoch dazu, drohen Strafen, wie ein aktueller Fall zeigt. Rund 70.000 Euro bekommt eine Angestellte von ihrem Arbeitgeber – als Abfindung und Schmerzensgeld.
Vier von zehn Beschäftigten haben im Arbeitsumfeld bereits sexuelle Belästigung erlebt – Frauen sind nahezu doppelt so oft betroffen wie Männer. Dabei gilt laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes „jedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist“ als sexuelle Belästigung. „Dazu zählen nicht nur verbale und physische Belästigungen, wie sexualisierte Sprüche oder unerwünschte Berührungen, sondern auch non-verbale Formen wie anzügliche Blicke oder das Zeigen pornografischer Bilder.“ Ähnlich ist dies auch gesetzlich geregelt, und zwar in § 3 Absatz 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Weil eine Angestellte von ihrem Chef mehrfach sexuell belästigt, unter Druck gesetzt und wegen Verweigerung entlassen wurde, bekommt sie nun knapp 70.000 Euro Abfindung.
Der Fall
Was war passiert? Eine Arbeitnehmerin war als Assistentin der Geschäftsführung tätig. Ihr Chef hatte sie über einen privaten Chat mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen wie „Gaaaaaaanz wichtig. Nichts unter dem Rock anziehen“ kontaktiert, aber auch wütende, beleidigende und drohende Nachrichten geschickt. Als die Angestellte dies abblockte, wurden ihr zunächst arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht und kurze Zeit später gekündigt.
Dagegen wehrte sich die Frau vor Gericht und pochte zunächst auf die Unzulässigkeit der Kündigung. Denn diese sei sozial nicht gerechtfertigt, sondern diente lediglich als Form der Strafe für die abgeblockten Annäherungsversuche. Der Chef nahm die Kündigung daraufhin zurück und wollte die Frau weiterbeschäftigen. Doch auch dagegen ging diese gerichtlich vor und verlangte stattdessen eine Vertragsauflösung. Denn sie sah es gemäß § 9 Kündigungsschutzgesetz als unzumutbar an, nach den Vorfällen weiter im Betrieb zu arbeiten.
Zu Recht, entschied das Landesarbeitsgericht Köln mit Bezug auf die gesetzliche Regelung: „Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.“ Daher wurde der Frau die Zahlung von 68.153,80 Euro zugesprochen – als Abfindung und eine Art Schmerzensgeld.
Knapp 70.000 Euro: Abfindung als Form von Schmerzensgeld
Demnach sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitnehmerin wegen sexistischer, demütigender und willkürlicher Äußerungen des Geschäftsführers tatsächlich unzumutbar. Und auch die außergewöhnliche Höhe der Abfindung sei angemessen.
Zur Erinnerung: Generell orientiert sich diese an der Betriebszugehörigkeit und in der Regel gilt dabei ein halbes Monatsgehalt pro Jahr als Richtwert.
Doch im vorliegenden Fall wurden zwei Monatsgehälter pro Jahr als Abfindung betrachtet. Bei rund 4,5 Jahren Betriebszugehörigkeit entspricht dies den knapp 70.000 Euro. Der Grund: die besonderen Umstände des Falls inklusive der Herabwürdigung, die bei der Frau zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt haben, sowie der Machtmissbrauch des Geschäftsführers. Die Abfindung erfülle damit eine „Genugtuungsfunktion ähnlich dem Schmerzensgeld“. Hinzukommt, dass die Gesamtsumme der Abfindung nicht die in § 10 Kündigungsschutzgesetz festgeschriebene Höchstgrenze von zwölf Monatsgehältern überschritt.
Achtung: Ein „absoluter Kündigungsgrund“ ist sexuelle Belästigung generell nicht, zeigt ein Urteil.
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