Rheumatoide Arthritis: Niedrigdosiertes Cortison auch zur Langzeitbehandlung?
Bis zu 800.000 Menschen leiden hierzulande laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie an rheumatoider Arthritis. Zur Behandlung kommen unter anderem Glucocorticoide ins Spiel. Ob sich niedrigdosiertes Cortison auch zur Langzeittherapie eignet, haben Forschende untersucht.
Glucocorticoide gehören neben Januskinase (JAK)-Hemmern wie Jyseleca, Methotrexat und nicht-steroidalen Antirheumatika zur Schmerzlinderung zu den Therapieoptionen bei rheumatoider Arthritis. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, bei der das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. Genauer richten sich Antikörper gegen die Gelenkknorpel. Unbehandelt kommt es zu einer Zerstörung der Gelenke.
Doch ein dauerhafter Einsatz von Glucocorticoiden wie Cortison wird gemäß aktueller medizinischer Leitlinien nicht empfohlen. Der Grund: Drohende Nebenwirkungen, darunter erhöhter Blutdruck, Gewichtszunahme und Co. Eine Studie der Berliner Charité zeigt nun jedoch: Niedrigdosiertes Cortison kann auch zur Langzeitbehandlung eingesetzt werden.
Glucocorticoide unterliegen dem zirkadianen Rhythmus – die maximale Produktion erfolgt in den Morgenstunden, während die Produktion in der Nacht nur minimal ist. Die Steroidhormone wirken intrazellulär über Glucocorticoid-Rezeptoren im Zytoplasma und beeinflussen vor allem den Glucosestoffwechsel im Körper. Sie werden in der Nebennierenrinde gebildet.
Studie prüft Nebenwirkungen unter niedrigdosiertem Cortison
Wissenschaftler:innen der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité haben überprüft, wie sich eine dauerhafte Einnahme von Glucocorticoiden auf Patient:innen mit der Diagnose rheumatoide Arthritis auswirkt. Denn die bisher angenommenen Nebenwirkungen einer Langzeittherapie seien laut den Forschenden lediglich für die früher häufiger verabreichten hohen Dosierungen von Cortison gut belegt, für geringere Dosierungen dagegen nicht. „So genau wissen wir also gar nicht, wie stark die Nebenwirkungen bei niedrig dosierten Cortison-Präparaten sind“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Um dies zu ändern, analysierten die Forschenden die Daten von mehr als 1.100 Patient:innen. Diese wendeten zur Behandlung ihrer diagnostizierten rheumatoiden Arthritis über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren entweder ein Placebo, andere Kontrollmedikamente oder – aufgrund der hohen Wirksamkeit gegen die Beschwerden der rheumatoiden Arthritis – niedrigdosiertes Cortison an. Überprüft wurde, wie sich der Blutdruck der Patient:innen sowie ihr Gewicht veränderte.
Niedrigdosiertes Cortison: Kein erhöhter Blutdruck, kaum Gewichtszunahme
Das Ergebnis: Nach einer zweijährigen Therapie mit niedrigdosiertem Cortison zeigte sich keine signifikante Erhöhung des Blutdrucks. Und auch die Gewichtszunahme hielt sich mit im Schnitt 1,1 Kilogramm im moderaten Bereich im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Zwar könnten die Studienergebnisse andere, auch schwerwiegende Nebenwirkungen unter Glucocorticoiden wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein erhöhtes Infektionsrisiko nicht ausschließen. Es werde jedoch deutlich, dass die Sorge vor einem Blutdruckanstieg und/oder einer Gewichtszunahme nicht länger als Entscheidungskriterium für oder gegen eine Therapie mit niedrigdosiertem Cortison dienen sollte. „Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung eher die anderen Nebenwirkungen in den Blick nehmen.“
Die Forschenden wollen nun Daten zum Osteoporoserisiko unter niedrigdosiertem Cortison sammeln.
Mehr aus dieser Kategorie
Wirkstoff ABC: Irbesartan
Von A wie Amoxicillin, über B wie Budesonid bis Z wie Zopiclon: Die Liste der Wirkstoffe ist lang. Aber kennst …
Ischämische Colitis: Dickdarmentzündung unter Bisacodyl?
Das niederländische Pharmakovigilanzzentrum Lareb informiert über Fälle von ischämischer Colitis, die im Zusammenhang mit der Anwendung von Bisacodyl aufgetreten sind. …
Kardiovaskuläre Nebenwirkungen: Was gilt bei Ibuprofen und Diclofenac?
Bei entzündungsbedingten Rücken- und Gelenkschmerzen kommen unter anderem topische und orale Zubereitungen mit Ibuprofen und Diclofenac zum Einsatz. Studien zeigen, …