Pharmystery: Heroin
Die Entdeckung des Morphins im Jahr 1803 durch Friedrich Wilhelm Sertürner war Fluch und Segen zugleich. Einerseits war damit die genaue Dosierung eines Opioids möglich, andererseits entwickelte sich das hohe Suchtpotential zunehmend zum Problem. Eine Lösung schien im Jahr 1897 gefunden: das Heroin.
Im Jahr 1874 entdeckte der englische Chemiker Charles R. A. Wright durch Acetylierung von Morphin mit wasserfreier Essigsäure den Stoff Diacetylmorphin. Seine Entdeckung wurde allerdings nicht weiterverfolgt und geriet in Vergessenheit, bis der Chemiker Felix Hoffmann, der im Labor eines Arzneimittelproduzenten arbeitete, den Stoff erneut synthetisierte.
Diacetylmorphin als vielversprechendes Arzneimittel
Erste klinische Prüfungen an Tieren verliefen positiv und so wurde der Wirkstoff an Menschen getestet. Dabei wurden etwa 60 Proband:innen mit Diacetylmorphin zur Linderung ihres Hustens behandelt. Als positiv fiel das scheinbar geringe Abhängigkeitsrisiko auf.
Der Arzt Theobald Floret äußerte sich dazu folgendermaßen: „Das […] von mir verordnete Heroin […] zeigte sich als ein außerordentlich brauchbares, prompt und zuverlässig wirkendes Mittel zur Bekämpfung des Hustens und Hustenreizes sowie des Brustschmerzes in erster Linie bei Entzündungen besonders bei den katarrhalischen der oberen und unteren Luftwege (Angina, Pharyngitis, Tracheitis, Bronchitis) sowohl bei den acuten als auch mehr chronischen Formen. Etwa 60 von mir mit dem Präparat behandelte Patienten dieser Art gaben mir übereinstimmend an, dass sie nach dem Einnehmen des Pulvers (Heroin) eine sofortige Besserung des sie quälenden Hustens empfunden hätten, dass die Brustschmerzen und das Seitenstechen – wenn solche Beschwerden bestanden – nachgelassen hätten.“
Aufgrund dieser positiven Forschungsergebnisse wurde im Jahr 1898 der Markenname „Heroin“ beim Reichspatentamt geschützt. Abgeleitet wird der Name vom griechischen Wort „Heros“, was in der deutschen Sprache „Held“ bedeutet. Zudem sagten einige Proband:innen aus, dass sie sich nach Einnahme des Pulvers „heroisch“ gefühlt hätten.
Die sofortige Produktion unterschiedlicher Arzneiformen begann und Heroin kam in Form von Pulver, Saft und Zäpfchen auf den Markt. Nicht nur gegen Husten sollte Heroin helfen, sondern auch bei Schmerzen, Asthma, Depressionen, Nymphomanie, Angststörungen, Panikattacken, Schlafstörungen und vielem mehr. Sogar mit Heroin getränkte Tampons zur Behandlung von Unterleibsschmerzen waren erhältlich. Zur Entwöhnung der Morphinsucht wurde es ebenfalls eingesetzt – als eine Art Wundermittel ohne Gewöhnungseffekt und mit breitem Anwendungsgebiet.
Durch die geringe Dosis des verordneten Heroins und die orale Einnahme entstand tatsächlich kein Rauschzustand. Die Idee, den Wirkstoff nasal, pulmonal oder intravenös aufzunehmen, kam erst später auf. Jedoch verbreitete sich diese durch den sich damit einstellenden starken Rausch schnell.
Der tiefe Fall von Heroin
Nachdem die Fälle von Heroinsüchtigen zunahmen, wurde es 1912 in der Haager Opiumkonvetion ebenso drastisch eingestuft wie Morphin oder Kokain. Allerdings wurde Heroin in Deutschland erst im Jahr 1917 verschreibungspflichtig. Etwa acht Jahre später war es fast weltweit verboten. Durch die immer weiter schrumpfende Nachfrage wurde die Produktion 1931 komplett beendet.
Bis heute wird Heroin vielen Drogensüchtigen zum Verhängnis, da es illegal weiterhin hergestellt und auf dem Schwarzmarkt verbreitet wird. Die sich schnell einstellende Abhängigkeit bringt starke gesundheitliche Probleme mit sich. Durch die Herointoleranz und der somit steigenden Dosis ist eine Überdosierung, die zum Tod führen kann, schnell möglich. Auch Verunreinigungen des Heroins und bereits mehrfach benutzte Spritzen oder Kanülen bergen gesundheitliche Gefahren.
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