Melamin bleibt „besorgniserregender Stoff“
Während Fantaschalen aus Melamin in der Rezeptur meist ausgedient haben, findet der Stoff für Geschirr und Co. weiter Anwendung. Und das, obwohl Melamin als „besorgniserregender Stoff“ eingestuft wurde. Daran wird sich auch nichts ändern, so ein aktuelles Urteil.
Bereits seit über zehn Jahren gilt die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte, bei der Rezepturherstellung keine Fantaschalen aus Melamin zu nutzen, sondern auf Alternativen aus Glas oder Metall umzusteigen. Der Grund: Melaminharze können bestimmte Rezeptursubstanzen ab- und desorbieren, was zu Kreuzkontaminationen führen kann. Hinzukommt, dass das Material weder säurefest noch hitzestabil über 70 Grad ist. Bilden sich kleine Risse in der Schale, können sich darin die Rezeptursubstanzen absetzen und bei der nächsten Herstellung herausgelöst werden, wodurch Verunreinigungen entstehen.
Ende 2022 wurde Melamin zudem von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) bereits als Stoff eingestuft, „der wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt hat.“ Zu Recht, entschied nun der Gerichtshof der Europäischen Union. Dort hatten verschiedene Hersteller gegen die Einstufung geklagt. Doch die Richter:innen sehen keine Falscheinschätzung. Somit bleibt Melamin ein „besorgniserregender Stoff“.
Melaminharze sind Kunststoffe, die im Wesentlichen aus Melamin und Formaldehyd hergestellt werden. Ihre glatte Oberfläche und Stabilität ist ideal für die Verwendung als Geschirr oder Küchenutensilien. Doch wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schon vor Längerem gewarnt hat, können entsprechende Produkte beim Kochen von säurehaltigen Lebensmitteln Melamin und Formaldehyd freisetzen, die in die Nahrungsmittel übergehen können. Die Folgen: mögliche Nierenschäden durch Kristallbildung. Aktuell gelten in der EU folgende Grenzwerte für Melamin: 1 mg/kg Lebensmittel für Säuglings- und Kindernahrung sowie 2,5 mg/kg für andere Lebensmittel.
Gefahr für Mensch und Umwelt: Melamin als „besorgniserregender Stoff“
Dem Gericht zufolge sind unter anderem die inhärenten Eigenschaften des Stoffes und die dadurch bedingten Gefahren vor der Einstufung eingehend geprüft worden. Zudem muss eine inhärente Eigenschaft für sich genommen nicht automatisch eine schwerwiegende Wirkung haben, aber eine derartige, „die in Verbindung mit anderen Wirkungen aufgrund anderer inhärenter Eigenschaften wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt hat.“ Dies sei bei Melamin der Fall.
Generell verboten ist Melamin dadurch nicht, aber ab Konzentrationen von mehr als 0,1 Prozent haben Verbraucher:innen ein Recht auf Informationen von Herstellern. Zudem müssen gewerbliche Kunden die ECHA entsprechend informieren. Dass der Stoff auf die Kandidatenliste besonders besorgniserregender Stoffe gesetzt wurde, kann zudem einen möglichen ersten Schritt zu einer späteren Zulassungspflicht nach der EU-Chemikalienverordnung REACH darstellen, womit strengeren Vorschriften bei Herstellung, Import und Verwendung verbunden sein können.
Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden.
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