Lieferengpässe: Das sind die Hintergründe
Hunderte Arzneimittel sind hierzulande weiterhin knapp. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) listet mehr als 400 fehlende Präparate. Dass dies für die Apotheken Mehrarbeit bedeutet, ist bekannt. Aber wie kommt es überhaupt dazu und was sind die Hintergründe für Lieferengpässe?
Rund elf Stunden pro Woche wenden Apothekenteams auf, um den Mangel an zahlreichen Arzneimitteln zu managen. Schließlich müssen Alternativen gefunden und Kund:innen informiert beziehungsweise umberaten werden. Ein Ende der Lieferengpässe ist bei vielen Präparaten nicht in Sicht – zum Beispiel bleibt Ozempic noch das ganze Jahr 2023 knapp. Doch was sind die Hintergründe für Lieferengpässe – von einer erhöhten Nachfrage einmal abgesehen? Achtung, Spoiler: Eine entscheidende Rolle spielt der Wettbewerb unter verschiedenen Generikaherstellern. Denn der führe zwar zu mehr Zuverlässigkeit, mache jedoch auch Lieferketten anfälliger, so das Ergebnis einer Untersuchung von Forschenden der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg, der Hochschule Worms und der Frankfurt School of Finance and Management.
Generika-Wettbewerb als Ursache für Verknappung
Die Wissenschaftler haben in einer Studie überprüft, wie es zur Knappheit bestimmter Arzneimittel kommt. Als Grundlage dienten Daten des BfArM aus den Jahren 2017 bis 2019 – wobei die Pandemiejahre als einmaliger Einfluss bewusst nicht berücksichtigt wurden. Als weitere Basis wurden Abverkaufszahlen und die jeweilige Patentsituation der Präparate berücksichtigt.
Dabei zeigte sich: Medikamente, die (noch) unter Patentschutz und folglich nur von einem Hersteller zur Verfügung stehen, fallen seltener aus. Generika sind demgegenüber häufiger von Engpässen betroffen. „Sobald es Wettbewerb gibt, sind die jeweiligen Unternehmen gezwungen, ihre Effizienz zu steigern. Dann können auch kleinere Störungen schneller zu Engpässen führen, da sie weniger Kapazitäten und Reservebestände haben“, heißt es von den Autoren in einer Pressemitteilung.
Hintergründe für Lieferengpässe: Auf die Darreichungsform kommt es an.
Zu den Hintergründen für Lieferengpässe gehört offenbar auch die Darreichungsform. Denn der Produktionsprozess von Tabletten, Säften und Co. ist unterschiedlich komplex. Bei Injektionen sei das Risiko von Verunreinigungen oder anderen Problemen, die zu Engpässen führen können, demnach am höchsten. Schwankungen in der Nachfrage leisten ebenfalls ihren Beitrag in puncto Engpässe.
Und dann ist da noch das Meldeverfahren von knappen/fehlenden Arzneimitteln, das zwar nicht als Hintergrund, jedoch in puncto Umgang mit Engpässen eine Rolle spielt. Denn je früher diese gemeldet werden, desto früher können entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Doch wie sich zeigt, werden Engpässe von Herstellern oft erst sechs bis acht Wochen gemeldet, nachdem sie den Markt bereits erreicht haben.
Das sind die Lösungen
Geht es um Lösungen für die Lieferengpass-Problematik sind sich die Autoren einig: Die oft geforderten höheren Preise für Arzneimittel würden nur für eine Umverteilung des Problems führen. „Wenn man Unternehmen auf dem deutschen Markt priorisiert, dann fehlen die Medikamente für andere europäische Länder.“ Stattdessen müssten Maßnahmen für eine langfristige Produktionssicherung und Risikominimierung ergriffen, ein Frühwarnsystem eingeführt und Hersteller zu mehr Transparenz bei den Lieferketten verpflichtet werden.
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