Keine Beratung von Frau gewünscht: 1.500 Euro wegen Geschlechtsdiskriminierung
Vor allem unter den PTA ist der Anteil an weiblichen Kolleg:innen hoch – 97 Prozent. Nachteile gegenüber männlichen Angestellten dürfen dabei nicht entstehen. Daran müssen sich neben Chef:innen auch Kund:innen halten, wie ein Fall von Geschlechtsdiskriminierung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zeigt, bei dem es um die unerwünschte Beratung durch eine Frau ging.
Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind bei der Arbeit fehl am Platz. Und das gilt nicht nur, weil die Apotheke überwiegend weiblich ist und Frauen einen Großteil der Mitarbeitenden ausmachen. Vielmehr ist in § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt, dass Benachteiligungen unter anderem aufgrund des Geschlechts – ebenso wegen der Herkunft, Religion, sexuellen Identität und des Alters – tabu sind.
Arbeitgebende stehen dabei mehrfach in der Pflicht. So dürfen sie Angestellte selbst nicht benachteiligen – beispielsweise Frauen für dieselbe Arbeit ein geringeres Gehalt zahlen als männlichen Kollegen – und müssen außerdem dafür sorgen, dass auch im Team oder von Dritten keine Diskriminierung erfolgt. Weil sich der Chef nicht schützend an die Seite einer Mitarbeiterin stellte, als es zur Geschlechtsdiskriminierung durch eine Kundin kam, steht der Angestellten eine Entschädigung zu.
Geschlechtsdiskriminierung: Kundin und Chef verantwortlich
Die Klägerin, eine Architektin, die im Vertrieb eines Bauunternehmens tätig war, sollte die Beratung einer Interessentin übernehmen. Doch diese wollte nicht von einer Frau, beraten werden, beschwerte sich beim Vorgesetzten und forderte explizit einen Mann als Berater. Das Problem: Der Chef akzeptierte den Wunsch der Kundin ohne Weiteres und übernahm den Auftrag selbst. Die Angestellte sah darin eine Geschlechtsdiskriminierung und wehrte sich. Über mehrere Instanzen landete der Fall vor dem LAG Baden-Württemberg.
Die Richter:innen erkannten die Diskriminierung an, und zwar sowohl seitens der Kundin als auch durch den Arbeitgeber, weil dieser nicht einschritt. Demnach lag ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sowie gegen die in § 12 Absatz 4 AGG geregelte Schutzpflicht vor: „Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.“
Genau hätte der Chef den Versuch einer gütlichen Lösung unternehmen und zudem versuchen müssen, der Kundin die Kompetenz der Beraterin näherzubringen. Weil dies jedoch ausblieb, forderte die Angestellte somit zu Recht eine Entschädigung im Sinne von § 15 AGG. Der ursprünglichen Summe von rund 84.000 Euro wegen einer vermeintlich entgangenen Provision erteilte das Gericht jedoch eine Absage, weil diese als „überzogen und nicht mit den besonderen Umständen des Einzelfalls von der Klägerin begründet“ angesehen wurde. Stattdessen wurden ihr 1.500 Euro Schadenersatz zugesprochen.
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