Impfstopp: Die Frage nach dem Warum und der Vergleich mit dem Thromboserisiko der Pille
Was war am Freitag anders? Am Montag wurde das Impfen mit der Corona-Vakzine von AstraZeneca vorsorglich ausgesetzt. Und noch immer ist beim Impfstopp die Frage nach dem Warum nicht vollends beantwortet. Außerdem wird derzeit das Thromboserisiko von hormonellen Kontrazeptiva ins Spiel gebracht.
Die Bundesregierung hat aktuell die Corona-Schutzimpfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca vorsorglich gestoppt. Hintergrund sind Meldungen von Hirnvenenthrombosen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung und der seltenen Erkrankung gibt, wird derzeit untersucht und ist noch nicht geklärt. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) wird voraussichtlich morgen entscheiden, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken.
„In sieben Fällen (Stand 15.03.2021) wurde in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca eine spezielle Form von schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen festgestellt“, heißt es in den FAQ des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zum Aussetzen der Impfungen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist der Empfehlung des PEI – die Impfung vorsorglich auszusetzen, um die Fälle weiter zu untersuchen – gefolgt.
„Impfung ist Vertrauenssache und kein Zwang. Jeder Impfling muss sicher sein, dass alle Informationen zum Impfstoff transparent und vollständig vermittelt werden und nichts zurückgehalten wird. Auch seltene, aber ggf. schwerwiegende Nebenwirkungen müssen sorgfältig geprüft werden“, so das BMG.
Impfstopp: Was war am Freitag anders und warum fiel die Entscheidung am Montag?
Am 12. März lag die Häufigkeit der aufgetretenen Hirnvenenthrombosen unter den Impflingen „in einem Bereich, wie man ihn auch in der nicht geimpften Bevölkerung erwarten würde“, so das PEI. Ein wichtiges „Werkzeug“ in der Arzneimittelsicherheit sei die Prüfung, ob eine vermutete Nebenwirkung häufiger innerhalb der geimpften Personengruppen auftritt als bei nicht Geimpften. „Liegt die Häufigkeit eines Ereignisses innerhalb der erwarteten Häufigkeit, spricht dies eher für ein zufälliges Auftreten in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung.“ Tritt die unerwünschte Reaktion aber statistisch häufiger unter den Impflingen auf, sei dies ein Hinweis auf einen möglicherweise ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung.
Drei Tage später – am Montag – wurden zwei weitere Fälle von Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca gemeldet. „Durch die zusätzlichen Fälle lag am Montag die Zahl der beobachteten Fälle deutlich oberhalb der zu erwartenden Anzahl“, begründen die Expert:innen ihre Empfehlung, die Impfungen auszusetzen.
Insgesamt sieben Fälle einer Hirnvenenthrombose bei Personen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren sind bekannt – 1,6 Millionen Menschen wurden hierzulande mit der AstraZeneca-Vakzine immunisiert. Drei der Betroffen verstarben. „Der von den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel betroffene Personenkreis in jüngerem bis mittlerem Alter ist nicht der Personenkreis, der von einem hohen Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Covid-19-Verlauf betroffen ist“, so das PEI in seinen FAQ.
Wegen Impfstopp mehr Coronatote?
Das BMG beantwortet auch die Frage, ob ein Impfstopp nicht mehr Tote riskiert, als vermieden werden könnten. „Das ist ein statistischer (und legitimer) Aspekt.“ Der Staat stelle den Impfstoff zur Verfügung und habe damit besondere Sorgfaltspflichten. Amtsträger des BMG und PEI seien verpflichtet, die Sicherheit des Impfstoffs zu überwachen und bei entsprechenden Signalen zu reagieren. „Wenn diese Pflichten verletzt werden, und die Impfkampagne weiterlaufen würde, ohne die Bevölkerung und die zu impfenden Personen ordentlich aufzuklären, könnten auch rechtliche Konsequenzen drohen.“
„Der Schaden, der durch die Nichtimpfung entsteht, selbst in der kurzen Zeit, der ist größer als der Schaden, der entstehen würde, wenn die seltene Komplikation hier vorkommt“, so Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im ZDF (heute journal vom 16. März). „Den Nutzen, wo man jemandem das Leben rettet durch die Impfung, der ist anonym, diese Menschen werden nie bekannt sein.“
Pillen und Thrombosen
„Die neueste Generation der Antibabypille hat als Nebenwirkung Thrombosen bei acht bis zwölf von 10.000 Frauen. Hat das bisher irgendwen gestört?“, twitterte SPD-Europapolitikerin Katarina Barley.
„Es ist richtig, dass für Anti-Baby-Pillen Thrombosen, auch mit tödlichem Verlauf, als sehr seltene Nebenwirkung bekannt sind. Sie sind in der Patienteninformation aufgeführt. Die Anti-Baby-Pille ist verschreibungspflichtig“, so das PEI. Jede Frau müsse also vom Arzt/der Ärztin über dieses Risiko aufgeklärt werden. Für die AstraZeneca-Covid-19-Impfung bestehe aktuell ein Verdacht auf die sehr seltene Nebenwirkung einer Sinusvenenthrombose mit begleitendem Blutplättchenmangel mit teils tödlichem Verlauf, die aber nicht in der Patienteninformation aufgeführt ist.
Dass die Sinusvenenthrombose als sehr seltene Nebenwirkung noch nicht aufgeführt ist, schreibt auch das BMG. Weiter heißt es dazu: „außerdem unterscheidet sich die staatlich empfohlene Impfung von Gesunden arzneimittelrechtlich von der Verordnung eines Arzneimittels.“
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