Hose runter: Einen Kollegen entblößen rechtfertigt Kündigung – oder?
Ein Spaß unter Kolleg:innen sorgt für gute Laune und lockert die Stimmung auf. Mitunter werden dabei auch kleine Streiche gespielt. Es gibt jedoch Grenzen, wie ein Fall vor dem Bundesarbeitsgericht zeigt. Einen Kollegen öffentlich zu entblößen, ist nicht nur tabu, sondern rechtfertigt auch eine fristlose Kündigung – oder?
Was war passiert? Ein Angestellter zog während einer Nachtschicht einem Kollegen mit beiden Händen seine Arbeits- und Unterhose herunter, sodass sein Hinterteil und seine Genitalien entblößt wurden und für andere Kolleg:innen sichtbar waren, die mit Gelächter reagierten. Die Chefin erfuhr von der Aktion und reagierte mit einer fristlosen Kündigung. Doch diese war unwirksam, entschied zuerst das Arbeitsgericht Leipzig, später auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen. In nächster Instanz landete der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).
Entblößen tabu: Finger weg von Hosen des Kollegen
Dort entschieden die Richter:innen allerdings zugunsten der Arbeitgeberin. Demnach sei das öffentliche Entblöden eines Kollegen als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet. Denn der Angestellte habe seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Chefin verletzt. Diese wiederum müsse sicherstellen, Mitarbeitende vor sexueller Belästigung zu schützen. Genau das sei durch die Aktion jedoch nicht möglich gewesen. Im Gegenteil: „Das absichtliche Entblößen der Genitalien eines Kollegen, so das BAG, könne eine sexuelle Belästigung darstellen“, schreibt der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Hinzukommt, dass es sich dabei um einen entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre des Mitarbeiters handelte und damit dessen Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. „Eine Entblößung der Genitalien eines anderen unter Missachtung seines Rechts auf Selbstbestimmung, wem gegenüber und in welcher Situation er sich unbekleidet zeigen möchte, stellt ein sexuell bestimmtes Verhalten iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar“, heißt es in der Entscheidung.
Das BAG wies den Fall folglich an das LAG Sachsen zurück. Dieses soll die vorliegenden Fakten nochmals prüfen und dabei auch beachten, welche „unmittelbaren oder für die Zukunft zu prognostizierenden Folgen für das Opfer des Übergriffs sowie für die Arbeitsabläufe und die respektvolle Zusammenarbeit der Beschäftigten“ entstanden sind.
Übrigens: Auch wer einen Kollegen absichtlich auf der Toilette einsperrt, muss mit Konsequenzen rechnen.
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