„Halbe Spritze“: Esketamin-Überdosierung abgewendet
Ob in der Arztpraxis, Apotheke oder im Krankenhaus: Mitunter kommt es zu Fehlern in der Versorgung von Patient:innen. Zuletzt wurde unter anderem über einen Beinahe-Schaden aufgrund einer Patientenverwechslung berichtet. In einem weiteren Fall konnte eine Esketamin-Überdosierung bei einem Notfalleinsatz noch rechtzeitig abgewendet werden.
Im aktuellen Fall des Quartals 2/2025 beim CIRS-NRW, einem gemeinsamen Projekt der Apotheker- und Ärztekammern sowie Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe, der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin, wird über eine Beinahe-Überdosierung von Esketamin im Rettungsdienst berichtet. Diese drohte durch die Anweisung, eine „halbe Spritze“ zu verabreichen.
Ketamin gehört zu den Anästhetika und besitzt anästhetische, analgetische und psychotrope Eigenschaften. Das Anästhetikum wirkt nicht kompetitiv antagonistisch an Glutamat-NMDA-Rezeptoren und kommt sowohl zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose als auch zur Notfallbehandlung zum Einsatz, hierzulande als Injektionslösung. Esketamin ist das S-Enantiomer von Ketamin und wegen seines schnellen Wirkeintritts in der EU zur Notfalltherapie bei Depressionen zugelassen, allerdings nur zur ärztlichen Anwendung.
Zu den Nebenwirkungen gehören Sedierung, Dissoziation, das Auftreten psychiatrischer Ereignisse oder eine Verschlimmerung psychiatrischer Störungen, Missbrauch, Blutdruckanstieg, Atemdepression sowie Beschwerden der unteren Harnwege und Blase.
Falsche Anweisung: Beinahe-Überdosierung von Esketamin
Was war passiert? Zur Verfügung stand das Arzneimittel im Rettungswagen seit Kurzem in neuer Konzentration. Statt zuvor 25 mg/5 ml-Ampullen sollten nun 50 mg/2 ml-Ampullen genutzt werden. An der Vorgabe zur Verdünnung mit NaCl bis auf eine Gesamtmenge von 10 ml änderte sich nichts, sodass sich verschiedene Applikationskonzentrationen ergaben. Als es bei einem Patienten zu einem Notfalleinsatz kam, wurde zwar die für ihn korrekte Dosis ermittelt, dennoch kam es bei der Verabreichung beinahe zu einer Esketamin-Überdosierung.
Der Grund: Weil einer der Rettungssanitäter noch mit der alten Wirkstoff-Konzentration vertraut war, erteilte er seinem Kollegen die Anweisung, eine „halbe Spritze“ zu verabreichen. Das Problem: Selbst bei Nutzung des halben Spritzeninhaltes wäre es aufgrund der veränderten Konzentration zur Verabreichung der doppelten Dosis gekommen. Dies hatte auch der Kollege im Sinn und fragte daher kritisch nach, ob wirklich die „halbe Spritze“ gemeint sei. Nach erneuter Überprüfung der Zusammensetzung der Spritze wurde schließlich die korrekte Dosis verabreicht, sodass ein Schaden für den Patienten durch eine Esketamin-Überdosierung abgewendet werden konnte.
Kritisch nachfragen kann Fehler vermeiden
Um entsprechende Fälle zu vermeiden, sollte bei Änderungen von Arzneimittelkonzentrationen auf eine klare Kommunikation und Sichtbarkeit der Änderungen geachtet und Mitarbeitende entsprechend geschult werden, heißt es im Bericht. Denkbar sei zudem das Bereitstellen von Umrechnungstabellen. Auf der anderen Seite sollten ausschließlich präzise Dosierangaben genutzt werden. Eine „halbe Spritze“ erfülle dieses Kriterium nicht. Stattdessen hätte die Vorgabe einer Verabreichung von 12,5 mg Esketamin in 5 ml NaCl lauten müssen.
Dass der Kollege kritisch nachgefragt hat – auch als Speak-up bezeichnet –, wird im Bericht explizit gelobt, weil dadurch generell Fehler und kritische Ereignisse verhindert werden können.
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