Kein Plan B bei Lieferausfällen: In der kommenden Grippesaison sollen Personen ab 60 Jahren mit einem Hochdosis-Impfstoff gegen Grippe geimpft werden. „Ein Fortschritt mit absehbaren Risiken“, findet das „Projekt: Grippeschutz“, denn derzeit ist nur ein Hochdosis-Impfstoff in der EU zugelassen. Kommt es zu einem Lieferengpass, gibt es also keine Alternative.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt, ältere Personen mit einem Hochdosis-Impfstoff gegen Influenza zu immunisieren. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Schutzimpfungs-Richtlinie entsprechend angepasst und das Bundesgesundheitsministerium diese durchgewunken. Somit tritt die Richtlinie nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 1. April in Kraft. Das bedeutet: Ab der kommenden Grippesaison 2021/22 sollen alle älteren Menschen ≥ 60 Jahren ausschließlich mit einem Hochdosis-Influenzaimpfstoff versorgt werden.
Die Expert:innen von „Projekt: Grippeschutz“ begrüßen grundsätzlich die Grippeimpfstoff-Empfehlung für Senior:innen. Allerdings gebe es für die kommende Grippesaison 2021/22 keinen Plan B bei Lieferausfällen: „Die aktuelle Empfehlung für einen einzigen Wirkstoff und Hersteller gefährdet eine ausfallsichere, robuste Versorgung mit Grippeimpfstoffen“, so die Expert:innen und sehen die Gefahr eines potenziellen Versorgungsrisikos.
„Aufgrund des begrenzten Zeitraumes, in dem ein Grippeimpfstoff produziert werden kann, können plötzliche Produktionsausfälle eines Herstellers in der Regel zum Impfzeitpunkt nicht flächendeckend kompensiert werden.“ Ein Problem – vor allem, wenn man bedenkt, dass der Anteil der Generation Ü60 hierzulande bei etwa 27 Prozent liegt. Das entspricht etwa 23 Millionen Menschen. Und noch mehr Zahlen: Soll die gewünschte Durchimpfungsrate von 75 Prozent erreicht werden, würden 17,3 Millionen Impfdosen der Hochdosis-Vakzine benötigt.
Fällt der Hochdosis-Impfstoff aus, gibt es keine Alterative, auch nicht bei einem Lieferengpass. Denn „nach unserem Verständnis der STIKO-Empfehlung besteht für die Altersgruppe ab 60 Jahren kein Erstattungsanspruch auf konventionelle Grippeimpfstoffe, bzw. diese sind damit für diese Zielgruppe grundsätzlich nicht mehr einzusetzen“, so das „Projekt: Grippeschutz“. „Durch die jetzt getroffene, einseitige Impfempfehlung wird jedoch das Risiko einer Impfstoff-Knappheit billigend in Kauf genommen.“
Die Grippeimpfstoffbestellungen für die Saison 2021/22 laufen bereits seit einigen Monaten. Arztpraxen und Apotheken stehen vor großen Herausforderungen. Das zeigte eine aktuelle aposcope-Umfrage: 93 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen geben an, dass es schwierig ist, die richtige Bestellmenge einzuschätzen, und etwa jede:r zweite (53 Prozent) geht davon aus, dass die Impfbereitschaft in der kommenden Saison sinken wird.
Die Aktualisierung der Schutzimpfungs-Richtline wirbelt das Bestellverhalten zusätzlich durcheinander: 80 Prozent bewerten das finanzielle Risiko höher als bei konventionellen Impfstoffen, die etwa ein Drittel günstiger sind. Auch die befragten Kolleg:innen schließen Lieferengpässe nicht aus (44 Prozent).
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