Medikationsfehler können für Patient:innen schwere Folgen haben, wie Fälle von Überdosierungen von Magnesium oder Methotrexat zeigen. Besonders gefährlich kann die Verwechslung verschiedener Medikamente werden. In einem aktuellen Fall bekam ein Patient versehentlich ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Lomustin statt Cefaclor verordnet. Die Folge: eine Knochenmarkaplasie.
Genau wurde dem betroffenen Patienten in der behandelnden Arztpraxis das Präparat Cecenu (medac) anstelle von CEC (Hexal) verschrieben. Während letzteres ein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Cefaclor darstellt, handelt es sich bei ersterem um ein Zytostatikum mit Lomustin, das unter anderem in der Krebsbehandlung Anwendung findet. Der Patient nahm das Arzneimittel wie verschrieben ein, musste daraufhin stationär im Krankenhaus behandelt werden und litt rund ein Jahr lang an den Folgen der Verwechslung, wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) informiert.
Lomustin statt Cefaclor: Verwechslung in der Apotheke unbemerkt
Der 15-jährige Patient begab sich aufgrund einer Mandelentzündung mit entsprechenden Symptomen wie Halsschmerzen, Rhinitis, Husten und Fieber in ärztliche Behandlung. Da eine Penicillin-Allergie vorlag, sollte eine Behandlung mit dem Cefaclor-haltigen Antibiotikum CEC erfolgen. Doch der Hausärztin unterlief bei der Verordnung ein Fehler, sodass stattdessen das Zytostatikum Cecenu rezeptiert wurde. Der Grund: Die beiden Arzneimittel befinden sich in der Praxissoftware aufgrund der alphabetischen Anordnung direkt untereinander, sodass das falsche Präparat ausgewählt wurde. Denn die Wirkstoffzusammensetzung wird dabei nicht angezeigt.
Cefaclor ist ein Beta-Lactam-Antibiotikum und gehört zur Gruppe der Oralcephalosporine. Der Wirkstoff kommt unter anderem zur Behandlung von Tonsillopharyngitis, Haut- und Weichteilinfektionen, akuter Mittelohrentzündung und Sinusitis sowie ambulant erworbener Pneumonie zum Einsatz.
Lomustin ist ein Nitrosoharnstoff-Derivat aus der Gruppe der Alkylanzien. Anwendung findet der Wirkstoff meist in der Kombinationstherapie bei Hirntumoren, Hirnmetastasen, Bronchialkarzinomen und Hautkrebs. Denn Lomustin sorgt für eine Störung der DNA- und Proteinbiosynthese von Krebszellen, wodurch deren Zellwachstum gehemmt wird und es zur Apoptose kommt.
Das Problem: Auch in der Apotheke blieb der Fehler bei Vorlage des Rezeptes unbemerkt, denn eine Diagnose war nicht vermerkt und die abweichende Dosierungsangabe für Lomustin (1-1-1 statt gewöhnlich alle sechs Wochen 1,6 bis 2,3 mg/kg Körpergewicht) fiel nicht auf, wodurch die Abgabe und folglich die Einnahme noch hätten verhindert werden können.
AMK: Dosierung auf Plausibilität prüfen
Durch die Verwechslung von Lomustin und Cefaclor nahm der Patient allein in den ersten sieben Tagen insgesamt 20 Kapseln des Antitumormittels – sprich 800 mg – ein. Erst als rund drei Wochen nach Therapiebeginn mit einer zwischenzeitlichen Influenza-Behandlung eine Blutuntersuchung eine ausgeprägte Thrombozytopenie, Leukopenie, Neutropenie und Anämie ergab, erfolgte eine Aufnahme ins Krankenhaus. Dort wurde eine komplette Aplasie des Knochenmarks diagnostiziert. Bei der Ergründung möglicher Ursachen wurde die Verwechslung letztlich aufgeklärt. Trotz einer anschließenden Behandlung mit Kolonie-stimulierende Faktoren sowie Erythrozyten- und Thrombozyten-Konzentraten normalisierten sich die Blutwerte des 15-Jährigen erst nach zwölf Monaten wieder.
Um schwerwiegende Medikationsfehler wie diesen zu vermeiden, könnten laut AkdÄ Maßnahmen wie Sicherheitskontrollen in den ärztlichen PVS oder das Ausstellen von Wirkstoffverordnungen, um Verwechslungen mit sogenannten „Sound-alikes“ vorzubeugen, helfen. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) appelliert zudem einmal mehr an die Apothekenteams, den Plausicheck sorgfältig durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf die angegebene Dosierung. Bei Verständigungsproblemen in der Beratung – beispielsweise aufgrund von Sprachbarrieren – sollten zudem entsprechende Hilfsmittel genutzt werden.
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