Fiebersaft-Retax: „Es geht nur darum, den Apotheken zu schaden.“
Als Fiebersäfte nicht lieferbar waren, sind die Apotheken eingesprungen und haben die Versorgung mit Rezepturen gesichert. Jetzt kommt die Quittung in Form einer Fiebersaft-Retax – weil die Dosierung fehlt, wird auf Null retaxiert.
„Es ist schon wirklich ein perfides Spiel, das die Krankenkassen da betreiben“, sagt Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. Die Retaxationen zeigten auch, wie wenig Menschlichkeit und Wertschätzung in den rund 100 Krankenkassen dieses Landes vorhanden sei.
Fiebersaft-Retax: Keine Dosierung, kein Geld
Was ist passiert? Als in der Erkältungssaison Fiebersäfte für Kinder nicht lieferbar waren, wurden diese in den Apotheken als Individualrezeptur hergestellt und die kleinen Patient:innen versorgt. Zudem gab es Ausnahmeregelungen, die eine Abrechnung bei verordnetem Fertigarzneimittel möglich machten. So weit, so unbürokratisch. Doch jetzt flattern Schreiben mit einer Nullretax in die Apotheken. Der Grund für die Fiebersaft-Retax: Die Dosierung fehlt.
Ist ein Fiebersaft als Fertigarzneimittel verordnet, kann die Angabe der Dosierung entfallen, denn diese ist nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel Pflicht – und bei Rezepturen.
§ 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) regelt, welche Angaben eine Verschreibung enthalten muss. In Punkt 4a heißt es: „bei einem Arzneimittel, das in der Apotheke hergestellt werden soll, die Zusammensetzung nach Art und Menge oder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels, von dem eine Teilmenge abgegeben werden soll, sowie eine Gebrauchsanweisung.“ Letztere darf nur fehlen, wenn das Rezepturarzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird.
Fehlt die Gebrauchsanweisung auf einem Rezeptur-Rezept, handelt es sich um eine unklare Verordnung, die nicht beliefert werden darf. Die Apotheke darf das Fehlen der Gebrauchsanweisung heilen. Grundlage ist § 6 Rahmenvertrag. Möglich ist dies allerdings nur vor der Abgabe – wurde die Verordnung bereits abgerechnet und beanstandet, ist eine nachträgliche Heilung im Einspruchsverfahren nicht mehr möglich.
Und das nutzt jetzt die IKK Classic für die Fiebersaft-Retax. Apotheker:innen aus ganz Deutschland haben der ABDA in den vergangenen Tagen gemeldet, dass die Krankenkassen derzeit insbesondere selbst hergestellte Fiebersäfte retaxieren. „Die Kassen verweigern den Apotheken nicht nur das Honorar für die Herstellung, sondern auch die Auszahlung der Sachkosten. […] Die Kassen begründen ihre Haltung damit, dass auf den eingereichten Rezepten oftmals eine kleine Angabe zur Dosierung fehlt.“
„Es geht nur darum, den Apotheken zu schaden.“
„Wir leben in einem System, in dem durch den Sparwahn der Krankenkassen keine Fiebersäfte für Kinder mehr lieferbar sind. Da wir unsere kleinen Patientinnen und Patienten und deren Eltern inmitten einer Erkältungswelle nicht unversorgt nach Hause gehen lassen wollten, haben wir die Fiebersäfte oft selbst hergestellt – und damit Kindern und Eltern schnell und umkompliziert weitergeholfen. Monate später erreichen uns nun Briefe, insbesondere der IKK Classic, in denen Beträge in Höhe von 20 oder 30 Euro nicht ausgezahlt werden können, weil wir vergessen haben, ein Kreuz zu setzen oder die Dosierung nicht richtig angegeben haben“, so Hubmann.
Die aktuelle Fiebersaft-Retax-Welle aus dem IKK-Lager helfe bei unserer Argumentation für ein Ende der Nullreatx ein gutes Stück weiter: „Denn jede/r vernünftige Gesundheitspolitiker/-in erkennt, dass es hier nicht mehr um eine anständige, gute Versorgung geht, sondern nur darum, den Apotheken zu schaden.“
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