Cychlorphin statt Benzodiazepin: Vergiftung durch falsch deklariertes Arzneimittel
„Warnung vor falsch deklarierten Tabletten – lebensbedrohliche Vergiftungen möglich“, schlagen Expert:innen des Universitätsklinikums Freiburg aktuell Alarm. Grund dafür ist ein Fall, bei dem eine Person wegen der Einnahme von Cychlorphin statt eines Benzodiazepins auf der Intensivstation landete.
In einer Pressemitteilung informiert ein Team aus Toxikolog:innen des Instituts für Rechtsmedizin und Ärzt:innen der Vergiftungs-Informations-Zentrale des Universitätsklinikums Freiburg über einen schweren Vergiftungsfall – ausgelöst durch ein Arzneimittel, das im Internet bestellt wurde. Demnach kam es bei den online erworbenen Tabletten zu einer lebensgefährlichen Verwechslung. Denn das Arzneimittel war falsch deklariert und enthielt nicht den erwarteten Wirkstoff, das Benzodiazepin Alprazolam, sondern stattdessen Cychlorphin. Die Folge: Eine intensivmedizinische Behandlung im Krankenhaus.
Wirkstoffcheck
Alprazolam zählt zu den mittellangwirksamen Benzodiazepinen. Die Wirkstoffe binden an Rezeptoren der Gamma-Aminobuttersäure (GABA), was zu einer erhöhten Öffnungsfrequenz der GABA-gesteuerten Chlorid-Ionenkanäle führt. Die Substanzen wirken anxiolytisch, sedativ, muskelrelaxierend, antikonvulsiv und dämpfend. Benzodiazepine gehören zu den Behandlungsoptionen bei Angst- und Schlafstörungen und zur Beruhigung vor operativen Eingriffen. Sie stehen als Tabletten, Kapseln, Injektionslösungen oder Zäpfchen zur Verfügung, sind jedoch aufgrund ihres hohen Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzials stark kontrolliert.
Cychlorphin ist ein hochwirksames synthetisches Opioid, das bereits in geringen Dosen zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Atemstillstand und Co. führen kann. Opioide erzielen ihre Wirkung durch die Bindung an Opioid-Rezeptoren und eine damit verbundene Hemmung der Schmerzimpulse an die Nervenzellen. Neben zentral wirksamen Effekten wie Schmerzlinderung, Sedierung und Euphorie kommt es auch zu einer peripheren Wirkung. Angewendet werden Opioide zur Behandlung von akuten und chronischen starken Schmerzen und zur Sedierung.
Cychlorphin statt Benzodiazepin: Tabletten falsch deklariert
Was war passiert? Die betroffene Person hatte im Internet ein als „Alprazolam Triazolobenzophenone Pellets I 1 mg“ deklariertes Arzneimittel bestellt. Dieses wurde in einer durchsichtigen Zip-Tüte mit entsprechender Aufschrift geliefert und sollte angeblich ein Prodrug des Benzodiazepins Alprazolam enthalten (Handelsname Xanax in den USA und der Schweiz). Nach der Einnahme kam es zu einem lebensbedrohlichen Zustand. Der Grund: In einer späteren Analyse der verbliebenen Tabletten wurde anstelle von Alprazolam Cychlorphin nachgewiesen.
„Wir sehen diesen Fall als Zeichen einer besorgniserregenden Entwicklung an.“ So kam es in der jüngeren Vergangenheit allein im Uniklinikum Freiburg vermehrt zu Todesfällen aufgrund der Einnahme falsch deklarierter Substanzen.
Auch bundesweit hätten sich tödliche Zwischenfälle in den letzten Jahren gehäuft, vor allem im Zusammenhang mit synthetischen Opioiden. Daher fordern die Expert:innen eine schnelle, flächendeckende Umsetzung des „Drug-Checkings“, das in Pilotprojekten in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen bereits erprobt wird, aufgrund fehlender Landesverordnungen zur Umsetzung jedoch noch nicht überall möglich ist.
Achtung: Auch eine Kombi aus Opioiden und Benzodiazepinen ist tabu.
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