Beirat-Empfehlungen bei Versorgungsmangel: Kassen sollen Kosten für Importe übernehmen
In diesem Jahr hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) für verschiedene Produkte einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 Arzneimittelgesetz (AMG) bekanntgegeben – darunter für isotonische Natriumchlorid-haltige Lösungen und Acetylsalicylsäure-haltige Arzneimittel in intravenöser Darreichungsform. Um im Falle eines Versorgungsmangels Verunsicherungen zu minimieren und Handlungssicherheit zu bieten, hat der Beirat für Lieferengpässe elf Empfehlungen erarbeitet.
Im Falle eines Versorgungsmangels dürfen die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder im Einzelfall befristet von den Vorgaben des AMG abweichen und entsprechend gestatten. So soll eine möglichst bedarfsorientierte wie kurzfristige Versorgung mit Arzneimitteln in der Ausnahmesituation gewährleistet werden. Allerdings würden Fragen zu verschiedenen Themen wie Distribution, Vergütung, Qualität der importierten Arzneimittel oder notwendiger Maßnahmen zum Arzneimittelfälschungsschutz oder einem Absehen von den arzneimittelrechtlichen Fälschungsschutzmaßnahmen aufkommen. Die Empfehlungen des Beirats sollen diese Verunsicherungen minimieren.
Das ist der 11-Punkte-Plan
1. Die zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), übernimmt bei einem Versorgungsmangel die zentralen Koordinierungsaufgaben und bietet auf ihrer Internetseite eine umfassende und aktuelle Informationsplattform. Diese deckt folgende Themen ab:
- Informationen zu den Gestattungen der Länder gemäß der Rechtsgrundlagen
- Informationen zur pharmazeutischen Qualität
- Informationen zur Aufmachung
- Informationen zum Distributionsweg
- PZN
2. Wurde ein Versorgungsmangel bekanntgegeben, stimmen sich BfArM oder PEI mit dem Beirat darüber ab, ob eine Task Force für den Versorgungsmangel einzurichten ist. Wird eine Task Force eingesetzt, sind Expertise, Sitzungsfrequenz sowie Daten und Informationen, die für die Arbeit der Task Force benötigt werden, festzulegen.
3. Die zuständige Bundesoberbehörde soll den berechneten Bedarf an zu importierenden Arzneimitteln an die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden der Bundesländer übermitteln. Das Ziel: kein Überangebot an importierten Arzneimitteln schaffen.
4. Die Gestattungen der Bundesoberbehörden nach §§ 10 Absatz 1a und 11 Absatz 1c AMG sowie die Gestattungen der Landesbehörden nach § 79 Absatz 5 AMG ermöglichen das Inverkehrbringen im Geltungsbereich des AMG im Sinne von § 4 Absatz 17 AMG in Verbindung mit § 4 Absatz 32 AMG.
5. Der Inverkehrbringer, dem die Gestattung erteilt wird, muss unverzüglich eine eigene PZN mit allen artikelidentifizierenden Merkmalen inklusive Preisangaben bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten GmbH (IFA) beantragen. Diese soll an die zuständige Bundesoberbehörde übermittelt werden. Wird das Arzneimitteln aus Ländern importiert, in denen die Fälschungsschutzrichtlinie umgesetzt wurde, sind die Unique Identifier auf Deutschland zu übertragen. Für Importe aus Drittstaaten ist mitzuteilen, dass die Arzneimittel ohne Serialisierungscode in den Verkehr gebracht werden.
6. Handelt es sich um Produkte aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, prüft der Großhändler, ob die Charge in dem Staat, aus dem sie verbracht wurde, zugelassen und freigegeben ist. Weitere notwendige Maßnahmen des Fälschungs- und Patientenschutzes sind mit den zuständigen Aufsichtsbehörden im Einzelfall abzustimmen.
7. Die Landesbehörden übermitteln zusammen mit der Information zur Gestattung die Warenmengen, das Datum, ab dem die Ware voraussichtlich verfügbar sein wird, den Arzneimittelnamen, den Inverkehrbringer, die Chargenbezeichnungen, die PZN sowie die Kontaktdaten und weitere relevante Informationen zur Einfuhr oder zum Verbringen an die zuständige Bundesoberbehörde. Liegen zum Zeitpunkt der Gestattung noch nicht alle Informationen vor, müssen die fehlenden Informationen unverzüglich übermittelt werden. Die zuständige Bundesoberbehörde stellt die relevanten Informationen der Öffentlichkeit und/oder den Fachkreisen zur Verfügung.
8. Für den Zeitraum des Versorgungsmangels gilt die Empfehlung an die Krankenkassen, die Kosten für die importierten Arzneimittel zu erstatten. Bei Retaxierungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen Mehrkosten angemessen berücksichtigt werden.
9. Während des Versorgungsmangels sollen nur so viele Arzneimittel eine Gestattung der Bundes- oder Landesbehörden erhalten, wie nötig.
10. Die Versorgungslage soll kontinuierlich durch die zuständige Bundesoberbehörde beobachtet und geprüft werden. Zudem sind Information an den Beirat, gegebenenfalls die Task Force und an das BMG zu übermitteln.
11. Nach Aufhebung des Versorgungsmangels erfolgt eine einzelfallbezogene Evaluation. Es soll beispielsweise geprüft werden, ob das gewünschte Ziel erreicht wurde oder nachjustiert werden muss, aber auch, ob der Versorgungsmangel in unangemessener Weise zu Mitnahmeeffekten einzelner Akteure geführt hat.
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