Bei längerer Krankheit: Darf die Kasse zur Kündigung zwingen?
Ob Erkältung, Magen-Darm oder eine Allergie: Es gibt viele Gründe, aus denen Angestellte gesundheitlich nicht zum Arbeiten in der Lage sind. Dauert die Erkrankung länger als ein paar Tage oder Wochen an, steht die Krankenkasse in der Pflicht, einen Teil des Gehaltes weiterzuzahlen. Stichwort Krankengeld. Doch darf die Kasse Versicherte zur Kündigung des Jobs zwingen?
Bis zu einer Dauer von sechs Wochen erhalten Arbeitnehmende im Krankheitsfall gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz Lohnfortzahlung von ihrem/ihrer Arbeitgeber:in. Sind Beschäftigte nach Ablauf der Frist weiterhin nicht arbeitsfähig, kommt das Krankengeld ins Spiel. Dieses beträgt in der Regel 70 Prozent des regelmäßigen Bruttolohns, jedoch nicht mehr als 90 Prozent des letzten Nettolohns und wird von den Krankenkassen gezahlt. Und hier kommt das Problem: In einigen Fällen versucht die Kasse, Angestellte zur Kündigung ihres Jobs zu bewegen. Der Grund: eine Einsparung des Krankengeldes. Doch ist das zulässig?
Übrigens: Bis zu 30 Krankentage pro Jahr sind erlaubt. Längere Fehlzeiten gelten als unzumutbar und sind ein Grund krankheitsbedingt gekündigt werden zu können.
Bestimmte Fragen sind für die Kasse tabu, aber …
Generell gilt: Sind Angestellte arbeitsunfähig zu Hause, darf die Krankenkasse nicht einfach Kontakt zu ihnen aufnehmen und intime medizinische Fragen stellen oder sich nach der persönlichen Lebens- oder Arbeitssituation erkundigen. Denn dies ist gemäß § 275 Sozialgesetzbuch V allein Aufgabe des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), stellt der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen klar. „Niemand muss der Krankenkasse telefonisch Rede und Antwort stehen, insbesondere nicht zu medizinischen Fragen.“ So kann die Kasse zwar den MDK bei Zweifeln an der Krankschreibung einschalten, selbst aber keine Nachforschungen anstellen.
Unzulässig sind Fragen nach
- einer Selbsteinschätzung deines Befindens,
- der Gestaltung des Arbeitsplatzes,
- Problemen am Arbeitsplatz,
- einem möglicherweise gestellten Rentenantrag,
- familiären Ärgernissen und
- Urlaubsplänen.
Somit darf die Kasse krankgeschriebene Versicherte nicht einfach anrufen, sie nach möglichen Ärgernissen oder Unstimmigkeiten auf der Arbeit fragen und ihnen anschließend einen Jobwechsel ans Herz legen oder sie gar zur Kündigung zwingen, nur um die Zahlung des Krankengeldes zu vermeiden.
Versucht die Krankenkasse dies dennoch, sollte laut VdK ein Gesprächsprotokoll zum Telefonat angefertigt werden. „Hilfreich ist außerdem, die Krankenkasse aufzufordern, den Inhalt des Gesprächs sowie ihren ,Ratschlag‘ an das Mitglied schriftlich zu übersenden“ – zum Beispiel, um ihn juristisch prüfen lassen zu können.
… es gibt Ausnahmen
Einige Informationen können jedoch an die Krankenkasse weitergegeben werden, wie die Verbraucherzentrale Hamburg informiert. Dazu zählt beispielsweise – sofern nicht ohnehin bekannt – die Kontonummer sowie die Höhe des Gehaltes, um das entsprechende Krankengeld auch zahlen zu können.
Außerdem darf die Kasse fragen,
- ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und wenn ja, wann voraussichtlich sowie
- ob es aktuell oder in naher Zukunft diagnostische/therapeutische Maßnahmen gibt, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Aber Achtung: Eine „zu jeder Zeit belastbare, verbindliche und allgemeingültige Antwort“ auf diese Fragen muss nicht geliefert werden.
Haben Versicherte gemäß §44 Absatz 4 SGB V ihren Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geltend gemacht, darf die Kasse auch weitere Informationen einholen.
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