Bei Hirnerkrankung: Neue Indikation für Betablocker?
Betablocker – genau Beta-Adrenozeptorblocker – gehören zu den am häufigsten verschriebenen Wirkstoffen und kommen vor allem bei Bluthochdruck zum Einsatz. Nun bringen Forschende womöglich eine neue Indikation für Betablocker ins Spiel.
In der Behandlung von Hypertonie stellen Betablocker die wichtigste Wirkstoffklasse dar. Doch weil diese nicht nur den Blutdruck, sondern auch die Herzfrequenz sowie den Sauerstoffverbrauch des Herzens senken können und antiarrhythmische sowie peripher gefäßverengende Eigenschaften besitzen, werden sie auch bei chronischer Herzinsuffizienz und Angina pectoris eingesetzt. Mit der Therapie von Hyperthyreose und der Migräneprophylaxe kommen weitere Indikationen hinzu.
Die Wirkstoffe blockieren die Beta-1- und Beta-2-Rezeptoren, indem sie antagonistisch an die Rezeptoren binden und somit die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin hemmen. Außerdem können sie die Freisetzung von Insulin sowie den Abbau von Glykogen einschränken, was Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hat. Nun bringen Forschende eine mögliche neue Indikation für Betablocker ins Spiel. Denn diese sollen auch bei der sogenannten Huntington Krankheit wirksam sein.
Morbus Huntington oder auch Chorea Huntington stellt eine Hirnerkrankung dar, die zu Bewegungsstörungen sowie psychischen Veränderungen und Verhaltensstörungen führten kann. Grund dafür ist ein schrittweiser Untergang von Nervenzellen im Gehirn. Die Erkrankung tritt nur selten auf, hierzulande sind schätzungsweise 10.000 Menschen betroffen. Die Behandlung erfolgt symptomorientiert, eine Heilung gibt es bisher nicht.
Betablocker mit Wirkung auf das Nervensystem
Wie Forschende der University of Iowa Health Care (USA) zeigen, sollen Betablocker dazu beitragen können, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen. Demnach kommt es in der frühen Phase der Erkrankung zu einer gesteigerten Aktivität des sympathischen Nervensystems, die durch die Wirkstoffe gedämpft werden soll.
Grundlage für die These ist eine Datenauswertung von mehr als 21.000 Patient:innen aus der weltweiten Beobachtungsstudie Enroll-HD. Ein Teil der Betroffenen wurde aufgrund weiterer anderer Erkrankungen mit Betablockern behandelt. Ob und wie sich diese auch auf den Verlauf der Hirnerkrankung auswirken, haben die Wissenschaftler:innen analysiert – einerseits bei Patient:innen mit dem Huntington-Gen, aber noch ohne Symptome, andererseits bei Auftreten erster motorischer Beeinträchtigungen.
Neue Indikation? Betablocker sollen Hirnerkrankung verlangsamen
Dabei zeigte sich: In beiden Patientengruppen führte der Einsatz von Betablockern zu einem positiven Effekt. So traten in der ersten Gruppe innerhalb eines Jahres weiterhin keine Symptome auf und in der zweiten Gruppe verschlechterten sich die funktionellen Fähigkeiten weniger als bei Patient:innen die keine Betablocker erhielten.
Dies lege nahe, dass Betablocker in verschiedenen Krankheitsstadien von Nutzen sein können. Zwar könnten die Wirkstoffe die Erkrankung nicht gänzlich stoppen, aber zumindest verlangsamen, so die Hoffnung der Forschenden. Nun müssten randomisierte klinische Studien folgen, um die Annahme zu bestätigen.
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