Für die Abgabe von Arzneimitteln – Fertigarzneimitteln oder Individualrezepturen – gilt der Grundsatz, dass diese wirksam, unbedenklich und von pharmazeutischer Qualität sein müssen. Tauchen in der Verordnung über eine Rezeptur bedenkliche Stoffe auf, stellt sich die Frage, ob die Herstellung und Abgabe verweigert werden dürfen.
Dass PTA vor der Rezepturherstellung einen Plausi-Check durchführen müssen, ist in § 7 Absatz 1b Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt. Geprüft werden müssen neben Dosierung und Applikationsart unter anderem auch Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe untereinander sowie deren gleichbleibende Qualität in dem fertig hergestellten Rezepturarzneimittel über dessen Haltbarkeitszeitraum.
Vorsicht ist geboten, wenn die Verordnung bedenkliche Stoffe beinhaltet. In diesem Fall handelt es sich um „sonstige Bedenken“, die einer Klärung bedürfen. So regelt § 5 Satz 3 ApBetrO Folgendes: „Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist.“
Mehr noch. Die Abgabe von sogenannten bedenklichen Arzneimitteln ist gemäß § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) verboten. Als bedenklich gelten dabei Medikamente, für die nach wissenschaftlichem Stand der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eine schädliche Wirkung haben. Diese geht nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über ein vertretbares Maß hinaus. Und das gilt auch für Rezepturen mit bedenklichen Stoffen.
Bedenkliche Stoffe in der Rezeptur: Was gilt?
Enthält ein Rezeptur-Rezept bedenklich Stoffe, darf die Rezeptur somit nicht ohne Weiteres hergestellt und abgegeben werden. Stattdessen muss zunächst Arztrücksprache gehalten werden. Die Regelung des AMG hat dabei Vorrang vor dem laut § 4 ApBetrO geltenden Kontrahierungszwang, stellt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) klar. Im Gespräch mit dem/der behandelnden Ärzt:in soll gemeinsam eine Nutzen-Risiko-Abschätzung unter Berücksichtigung der Indikation, Applikationsart, Dosierung, Konzentration und weiterer angewandter Arzneimittel erfolgen, auf deren Basis die Bedenklichkeit der Rezeptur abschließend beurteilt wird. Fällt das Ergebnis negativ aus, sprich überwiegen die Risiken den Nutzen, darf die Rezeptur nicht hergestellt und abgegeben werden.
Bei welchen Stoffen bei PTA die Alarmglocken schrillen sollten, hat die AMK in einer Liste zusammengefasst, die jedoch keine juristisch verbindliche Festlegung darstellt und zudem keinen Anspruch auf Vollständigkeit besitzt, da stets weitere Stoffe dazukommen könnten. Aufgenommen wurden dabei Stoffe und pflanzliche Drogen,
- die von einer Zulassungsbehörde als bedenklich eingestuft wurden: In diesem Fall darf keine Herstellung und Abgabe erfolgen, wenn eine entsprechende Stellungnahme der Behörde vorliegt.
- bei denen die Zulassungen entsprechender Fertigarzneimittel ruhen oder widerrufen wurden: Die Herstellung einer Rezeptur oder Defektur ist ausgeschlossen.
- deren Anwendung nach aktuellem Stand aufgrund von Risiken bedenklich beziehungsweise nicht vertretbar ist: In diesem Fall sollten Rezepturen nur Mittel der ferneren Wahl sein, von einer Defekturherstellung und der Abgabe ohne ärztliche Verschreibung wird abgeraten. Apotheken sollen zudem Arztrücksprache über die Hintergründe der Verordnung halten und ihre Vorbehalte erläutern. Gemeinsam sollen Therapiealternativen einbezogen werden und eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, deren Ergebnis von der Apotheke dokumentiert werden sollte.
So werden laut Liste unter anderem folgende Stoffe von der AMK als bedenklich für die Anwendung bei Menschen eingestuft:
- Epinephrin und seine Salze hochkonzentriert (> 1 Promille) zur Blutstillung im Dentalbereich, was das Risiko von systemischen kardiovaskulären Reaktionen birgt und für das ein Zulassungswiderruf vorliegt,
- Immergrünkraut (ausgenommen Homöopathika ab D-Potenz 2), für das der Verdacht auf Blutbildschäden bei nicht belegter Wirksamkeit besteht und ebenfalls ein Zulassungswiderruf gilt,
- Benzol (ausgenommen Homöopathika ab D-Potenz 6), das als Knochenmark-schädigend und kanzerogen gilt, sowie
- Phenol als Wirkstoff (ausgenommen Homöopathika) zur Anwendung auf Haut und Mundschleimhaut, ausgenommen Spezialanwendungen, bei denen Phenol jeweils nur einmal beziehungsweise in geringer Menge angewendet wird, das unter anderem das Risiko die Reizung von Haut und Schleimhäuten birgt und als Krampfgift gilt.
- Auch bei Bärenklau, Färberginsterkraut und Schöllkraut ist Vorsicht geboten.
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