Die Ausbreitung der Affenpocken wird aus Sicht des Freiburger Virologen Hartmut Hengel „im Moment deutlich unterschätzt“. Sie hätten mindestens das Potenzial, „uns in Zukunft Kopfzerbrechen zu bereiten“, sagte der Ärztliche Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg der „Badischen Zeitung“ (Samstag). Weltweit seien bisher nur etliche tausend Affenpocken-Fälle gemeldet worden. „Aber daraus abzuleiten, dass das Geschehen harmlos ist, ist falsch – denn man muss ja in die Zukunft blicken.“ Das Virus sei in 70 Ländern verbreitet. „Es hat in einigen Ländern Formen dauerhafter Zirkulation angenommen, auch in Europa.“
Betroffen sind bislang vor allem Männer, die mit Männern Sex haben. Nach Angaben des Landesgesundheitsministeriums von Mittwoch waren in Baden-Württemberg bis dato 87 Infektionen bestätigt. Fast 3.000 Impfdosen würden an Apotheken der Unikliniken ausgeliefert, hieß es.
„Wenn man die Sache einfangen wollte, würde das bedeuten, dass man weltweit überall, wo das Virus auftritt, konsequente Impfprogramme organisieren müsste“, erklärte Mediziner Hengel in dem Interview. „Das ist natürlich eine enorme Herausforderung.“ Unklar sei aber, ob das Affenpocken-Virus weiter vorrangig unter Männern, die mit Männern Sex haben, grassiere – oder sich aus dieser Nische befreien könne.
Affenpocken gelten verglichen mit den seit 1980 ausgerotteten Pocken als weniger schwere Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt laut Robert Koch-Institut 5 bis 21 Tage. Die Symptome, darunter Fieber und Hautausschlag, verschwinden gewöhnlich innerhalb weniger Wochen von selbst, können bei einigen Menschen aber zu medizinischen Komplikationen und in sehr seltenen Fällen auch zum Tod führen.
Am Samstagnachmittag – also nach Veröffentlichung des Interviews – erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Affenpocken-Ausbruch zu einer „Notlage von internationaler Tragweite“. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus rief damit die höchste Alarmstufe aus, die die Organisation bei einer Gesundheitsbedrohung verhängen kann. Tedros sprach von weltweit mehrals 16.000 bestätigten Fällen. Ein von ihm einberufener Ausschuss aus unabhängigen Fachleuten hatte sich zuvor nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen können, ob eine Notlage ausgerufen werden sollte.
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