Terpentin statt Erdöl für Paracetamol-Herstellung
Paracetamol und Ibuprofen gehören zu den beliebtesten Schmerzmitteln der Deutschen. Doch die Herstellung ist alles andere als nachhaltig. Stichwort Erdöl. Das könnte sich ändern, denn Wissenschaftler:innen vom Institut für Nachhaltigkeit der University of Bath in England haben eine Alternative entdeckt, die ein natürliches Abfallprodukt der Papierherstellung ist.
An die Synthese von Paracetamol während des Pharmaziestudiums kann sich noch so manche/r erinnern. Im kleinen Rahmen wird in der Regel im Rundkolben mit Rückflusskühler bei passender Temperatur und Magnetrührer aus 4-Aminophenol unter Zugabe von Essigsäureanhydrid durch Kondensation von zwei Essigmolekülen – Anhängen einer Acetylgruppe – Paracetamol hergestellt. Doch die Großherstellung läuft anders – Ausgangsstoff ist Phenol.
Paracetamol/Ibuprofen: Bioraffineriemodell auf Terpentinbasis
Dass zur Herstellung von Paracetamol und Ibuprofen Erdöl als Grundlage für benötigte chemische Ausgangsstoffe dient, ist in der heutigen Zeit, in der Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus rückt, nicht vertretbar. Doch es gibt eine Alternative, wie Forschende herausgefunden haben, nämlich ein Abfallprodukt der Papierherstellung – β-Pinen, ein Bestandteil von Terpentin. Mehr als 350.000 Tonnen werden pro Jahr vom Abfallprodukt produziert. Denn um Papier aus Kiefern herstellen zu können, muss das Kiefernharz – Terpentin – entfernt werden.
Das Forscherteam der University of Bath wandelte β-Pinen in Paracetamol und Ibuprofen um. Pro Jahr werden rund 100.000 Tonnen der beiden Wirkstoffe hergestellt. Außerdem konnte das Team weitere Vorläuferchemikalien aus Terpentin, wie 4-Hydroxyacetophenon (4-HAP) – die Vorstufe von beispielsweise Betablockern und Salbutamol – hergestellen.
Die Hoffnung der Forschenden: Dass der nachhaltigere „Bioraffinerie“-Ansatz den Bedarf an Rohölprodukten in der chemischen Industrie ersetzen könnte.
„Die Verwendung von Öl zur Herstellung von Arzneimitteln ist nicht nachhaltig – es trägt nicht nur zu steigenden CO₂-Emissionen bei, sondern der Preis schwankt auch dramatisch, da wir stark von der geopolitischen Stabilität der Länder abhängig sind“, sagt Dr. Josh Tibbetts, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Chemie der Universität. „Anstatt mehr Öl aus dem Boden zu gewinnen, wollen wir dies künftig durch ein ‚Bioraffinerie‘-Modell ersetzen.“
Einen Haken gibt es jedoch. Das Verfahren ist derzeit kostenintensiver als die Herstellung der Rohstoffe aus Erdöl.
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