Rauchentwöhnung: Nikotinersatz bald Kassenleistung?
Gesetzlich Versicherte mit einer schweren Tabakabhängigkeit können künftig im Rahmen eines evidenzbasierten Entwöhnungsprogramms auch Arzneimittel zur Unterstützung ihrer Rauchentwöhnung auf Kassenrezept erhalten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in einem aktuellen Beschluss die Voraussetzungen dafür definiert.
In Deutschland rauchten im Jahr 2024 etwa 28 Prozent der Bevölkerung. Der Zigarettenkonsum erreichte etwa 181 Millionen Zigaretten pro Tag. Eine Entwöhnung musste bisher oft aus eigener Tasche finanziert werden. Das soll sich nun aber ändern.
Verordnungsfähig werden Arzneimittel mit den Wirkstoffen Nicotin und Vareniclin. Diese haben sich in Studien als wirksam bei der Unterstützung der Rauchentwöhnung erwiesen. Der G-BA stützt sich hierbei auf eine Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
„Aktuell gibt es vier Wirkstoffe, die zur Raucherentwöhnung zugelassen sind. Es können aber nur Arzneimittel Kassenleistung werden, die nachweislich auch bei schwerer Tabakabhängigkeit helfen, denn nur für diese Patientengruppe hat der Gesetzgeber einen neuen Leistungsanspruch eröffnet“, so der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken.
Für die Wirkstoffe Bupropion und Cytisin liegen laut G-BA keine ausreichenden Studiendaten vor. Der Nutzen einer Behandlung mit diesen Wirkstoffen bei schwerer Tabakabhängigkeit könne daher nicht beurteilt werden.
Rauchentwöhnung: Wer hat Anspruch?
Versicherte müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Diagnose: „Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak; Abhängigkeitssyndrom“ (ICD-Code F17.2)
- Feststellung des Schweregrads durch die Ärztin oder den Arzt. Dies kann über den Fagerströmtest für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) erfolgen. Ab einem Punktwert von 6 gilt die Abhängigkeit als schwer.
- Alternativ: Eine schwere Abhängigkeit liegt auch dann vor, wenn ein Verzicht auf Tabak trotz bestehender Gesundheitsrisiken wie COPD, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht gelingt.
Rahmenbedingungen für die Verordnung
- Die Arzneimittel müssen im Rahmen eines evidenzbasierten Tabakentwöhnungsprogramms verordnet werden.
- Drei Monate nach Beginn der Behandlung erfolgt eine ärztliche Überprüfung, ob die medikamentöse Unterstützung fortgesetzt werden sollte.
- Ein erneuter Anspruch besteht erst nach drei Jahren, falls es zu einem Rückfall kommt.
- Kombinationen von Nikotin- und Vareniclinpräparaten bleiben ausgeschlossen.
Anforderungen an Entwöhnungsprogramme
Der G-BA orientiert sich bei der Definition evidenzbasierter Programme an den Kriterien der Präventionsprogramme nach § 20 Absatz 4 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Programme müssen unter anderem:
- wissenschaftlich fundiertes Wissen über Rauchverhalten und Entwöhnung vermitteln,
- methodisch nachvollziehbar und zeitlich angemessen aufgebaut sein,
- durch entsprechend qualifizierte Kursleitungen durchgeführt werden.
Dies gilt für Präsenzkurse, Onlineangebote sowie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA).
Hintergrund: Gesetzliche Grundlage
Die neue Regelung basiert auf einer Änderung des § 34 Absatz 2 SGB V im Rahmen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes. Der Gesetzgeber hatte damit erstmals eine Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss von Medikamenten zur Raucherentwöhnung geschaffen – ausschließlich für Versicherte mit schwerer Tabakabhängigkeit im Rahmen evidenzbasierter Programme.
Der Beschluss des G-BA tritt in Kraft, sobald das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die rechtliche Prüfung abgeschlossen hat.
Raucherentwöhnung als pDL?
„Wir begrüßen den Beschluss des G-BA ausdrücklich“, so der Nicorette-Hersteller Kenvue. Die Anerkennung der schweren Tabakabhängigkeit als behandlungsbedürftige Erkrankung sei ein wichtiger Schritt für Betroffene und ein starkes Signal für die Versorgung suchtkranker Menschen. „Die Erstattungsregelung kann über den unmittelbaren Anspruch hinaus viele Menschen motivieren, mit dem Rauchen aufzuhören. Apotheken können dabei eine zentrale Rolle spielen – als niedrigschwellige Anlaufstellen für Beratung und Begleitung. Die geplante Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen bietet die Chance, diese Rolle weiter zu stärken.“
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