Zu wenig telefoniert = Arbeitszeitbetrug?
Zugegeben, der Umgang mit Kund:innen am Telefon gehört für viele Beschäftigte nicht gerade zu den Lieblingsaufgaben. Das gilt auch in der Apotheke. Denn mitunter erwarten dich Verzweiflung, Wut, Unverschämtheit, Ungeduld – oder Quasselstrippen. Ist das Telefonieren jedoch eine Hauptaufgabe, kann es als Arbeitszeitbetrug angesehen werden, wenn zu wenig telefoniert wird.
Welche Aufgaben Arbeitnehmende am Arbeitsplatz zu erfüllen haben, ist im Arbeitsvertrag geregelt. Außerdem kann der/die Chef:in durch sein/ihr Weisungsrecht neben dem Wie, Wann und Wo auch darüber entscheiden, was gearbeitet wird. Für PTA in der Apotheke sind die Beratung von Patient:innen im HV und das Herstellen von Rezepturen dabei nur zwei von vielen Tätigkeiten. Hinzu kommen oftmals noch das Sortieren der Sichtwahl und weiteres. Und auch das Apothekentelefon muss beantwortet werden. Kommen Angestellte ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nach, drohen Konsequenzen. Das gilt erst recht, wenn damit ein Arbeitszeitbetrug verbunden ist, wie ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven zeigt.
Arbeitszeitbetrug, weil Angestellte zu wenig telefoniert haben
Konkret ging es um die fristlose Kündigung für zwei Mitarbeiterinnen, die in den Augen des Chefs Arbeitszeitbetrug begangen hatten. Grund dafür: Sie hatten als Servicemitarbeiterinnen nicht genug mit Kund:innen telefoniert. Demnach erwartete der Arbeitgeber, dass rund 60 Prozent der täglichen Arbeitszeit für Kundentelefonate aufgewendet werden sollten. Bei den beiden Angestellten ließen sich jedoch anhand von aufgezeichneten Telefoniezeiten an bestimmten einzelnen Tagen im Zeitraum zwischen März und Mai nur zwischen 16 und maximal 35 Prozent nachweisen. Während die Frauen hierin einerseits eine unrechtmäßige Auswertung ihres Telefonverhaltens und zudem lediglich eine Minderleistung sahen, für die hohe Hürden in puncto Kündigung gelten, sprach der Arbeitgeber von Arbeitszeitbetrug, der wiederum eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann – und bekam Recht.
Zur Erinnerung: Für eine fristlose Kündigung braucht es einen wichtigen Grund. Dazu zählen beispielsweise unentschuldigtes Fehlen, Diebstahl, eigenmächtiger Urlaubsantritt, grobe Beleidigungen oder Bedrohungen sowie Zeiterfassungsmanipulationen.
Demnach war die fristlose Kündigung wirksam, weil die Angestellten „Telefoniezeiten in einem Umfang [leisteten], der auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen ließ und durch bloße Minderleistung nicht erklärt werden konnte“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Und auch der Nachweis des Arbeitszeitbetrugs über die Auswertung von Telefondaten war rechtmäßig, da der zuständige Personalrat dem zugestimmt hatte, obwohl es in der Dienstvereinbarung eigentlich untersagt ist. „Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Daten, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, selbst dann verwertbar, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht“, so das Gericht weiter.
Der Vorwurf und die Ahndung des Arbeitszeitbetrugs, weil die Beschäftigten zu wenig telefoniert hatten, waren damit gerechtfertigt.
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