Wuhan ist nicht nur Zentrum der Corona-Epidemie, sondern auch Standort wichtiger Wirkstofffabriken. Für 19 Arzneimittel ist laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Wirkstoffhersteller in der Stadt mit elf Millionen Einwohnern gemeldet; die Behörde fürchtet Lieferengpässe bei 48 versorgungsrelevanten Wirkstoffen. Einem Insider zufolge könnten die Engpässe erst zum Jahresende hierzulande spürbar sein.
Eine zuverlässige Meldung zu möglichen Lieferengpässen gibt es derzeit noch nicht. Allerdings scheinen die Maschinen vieler Wirkstoffproduzenten stillzustehen. Ob und in welcher Härte es Engpässe auf dem deutschen Markt geben wird, hängt von der Dauer der verhängten Quarantäne ab. Außerdem weiß niemand – mit Ausnahme des Importeurs und des Wirkstoffherstellers – wie viel Ware bereits verschifft wurde oder in Lagern vorrätig ist. Allerdings werden bereits jetzt Verschiebungen von Lieferungen erwartet.
Welche Wirkstoffe sind betroffen?
In der Provinz Hubei, in der Wuhan liegt, werden verschiedene versorgungsrelevante Arzneistoffe produziert, darunter Ibuprofen und Metamizol. Der Engpass bei Ibuprofen ist noch immer nicht überstanden; aktuell fehlen verschiedene Stärken in diversen Packungsgrößen. Weltweit gibt es ohnehin nur sechs Produzenten des nicht-steroidalen Antirheumatikums, deren Marktanteile annähernd gleich verteilt sind. Mit Hubei Biocause Heilen Pharmaceuticals fällt ein Player aus. Für Metamizol halten fünf Hersteller ein sogenanntes CEP-Zertifikat, das für den Vertrieb in Europa notwendig ist – vier in China, unter anderem in Hubei. Nur Sanofi hält ein CEP in Frankreich.
Für Granisetron und Clozapin halten je zwei Hersteller in der chinesischen Provinz ein CEP. Außerdem kommen die als versorgungsrelevant eingestuften Arzneistoffe Docetaxel, Flumazenil, Oxcarbazepin, Metronidazol, Ezetimib und Ticagrelor aus der Region. Weitere in Hubei produzierte aktive Substanzen, die nicht als versorungsrelevant eingestuft sind, sind Amisulprid, Vinarelbin, Oxaciplatin, Cyproteron, Progesteron, Finasterid, Torasemid und Acetylcystein.
Hersteller können reagieren
Noch sei Zeit zu reagieren, sagt ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Wirkstoffproduzenten in anderen Regionen könnten den Ausfall auffangen. Doch auch andere Länder fürchten Engpässe, darunter Indien. Fraglich ist, welche Wirkstoffvorstufen im Zentrum des Coronavirus für Produzenten in anderen Ländern hergestellt werden.
Wann könnte ein Engpass spürbar sein?
„Ein Engpass wird erst Monate zeitversetzt beim Arzt, Apotheker und Patienten spürbar sein, wenn andere Hersteller nicht einspringen“, so der Experte. Wenn bis zum Ausbruch des Virus’ und der Quarantäne alles nach Plan lief, befinden sich aktive Substanzen für die Arzneimittelherstellung bereits auf dem Weg nach Europa. Alles, was bereits vor Ausbruch des Virus produziert wurde, sei in der Auslieferung; in der Regel dauere es drei bis vier Wochen, bis die Ware in Europa ankomme. Die Ausgangsstoffe werden demnach für Mitte März erwartet. Aufgrund der ersten Verschiebungen kann sich die Ankunft bis April oder Mai hinauszögern. Anschließend werden die Fertigarzneimittel produziert. Herstellung und Chargenfreigabe werden voraussichtlich im Sommer oder einige Monate später abgeschlossen sein. Dann kommt die Ware in den Markt. Kommt also über einen längeren Zeitraum kein neuer Wirkstoff nach, könnte ein Engpass im Oktober oder November eintreten.
Eine Verschiebung der Lieferungen kann jedoch noch ein weiteres Problem nach sich ziehen. Denn mit steigender Nachfrage bei geringem Angebot könnten die Arzneimittelpreise steigen. Wer also bereit ist, mehr zu zahlen, wird auch beliefert.
Wuhan ist die Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei, die nach Shanghai den zweitgrößten Hafen am Jangtsekiang besitzt. Die „Provinz der 1.000 Seen“ beherbergt nicht nur die Automobil- sowie Stahl- und Metallindustrie. Auch verschiedene Wirkstoffe werden in der Region für den Weltmarkt produziert. Doch in der chinesischen Provinz stehen die Maschinen still, denn Wuhan gilt als Zentrum des Coronavirus. Seit nun mehr als zwei Wochen ist die Region abgeriegelt. Millionen Menschen wurden angehalten, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Für Schulen und Universitäten gelten Zwangsferien bis zum 2. März.
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