Vollzeitjob ohne Tarifbindung: 53 Minuten mehr arbeiten, 11 Prozent weniger verdienen
Keine Tarifbindung bedeutet Mehrarbeit und weniger Lohn. Wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, arbeiten Beschäftigte ohne Tarifbindung länger und verdienen dabei auch noch weniger. Geringere Löhne werden auch in den neuen Bundesländern gezahlt, ein Grund könnte die geringere Tarifbindung sein.
„Die Arbeitsbedingungen sind in tarifgebundenen Unternehmen durchweg besser als in Unternehmen ohne Tarif“, teilt die Hans-Böckler-Stiftung mit. Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten im bundesweiten Schnitt wöchentlich mit 53 Minuten knapp eine Stunde länger und verdienen dabei deutlich weniger, nämlich 11 Prozent. „Diese Unterschiede unterstreichen die Dringlichkeit, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken“, schreiben Dr. Malte Lübker und Professor Dr. Thorsten Schulten vom WSI in einer aktuellen Analyse. Die Forscher haben die Tarifbindung in Deutschland im Gesamten und in den einzelnen Bundesländern anhand des IAB-Betriebspanels untersucht. (Beim IAB-Betriebspanel handelt es sich um eine jährliche repräsentative Arbeitgeberbefragung.)
2019 arbeiteten 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland mit Tarifbindung, 2018 waren es noch 54 Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit 60 Prozent vorn, Schlusslicht ist Sachsen mit nur 40 Prozent. Was alle Bundesländer gemeinsam haben, ist, dass die Arbeitsbedingungen in wesentlichen Punkten wie Arbeitszeit und Gehalt in tariflosen Betrieben deutlich schlechter sind, so die Forscher.
Ohne Tarifbindung längere Arbeitszeit bei weniger Lohn
Wie schon beschrieben, arbeiten Beschäftigte ohne Tarifbindung im Bundesdurchschnitt pro Woche 53 Minuten mehr für 11 Prozent weniger Lohn. Regional sind die Unterschiede sogar noch größer. In Baden-Württemberg fallen jede Woche 72 Minuten zusätzlich für Mitarbeiter ohne Tarifbindung an, in Bremen sind es 64 Minuten. Summa summarum ergibt sich daraus eine zusätzliche Arbeitswoche und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass Beschäftigte ohne Tarifvertrag häufig auch weniger Urlaub haben.
In puncto Gehalt sind die Nachteile in den neuen Bundesländern am größten. In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben monatlich 17,7 Prozent weniger als Kolleg*innen in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung, in Sachsen-Anhalt klafft die Lücke mit 18,3 Prozent noch mehr. In Zahlen bedeutet das, dass bei Arbeitnehmer*innen ohne Tarifbindung das Jahr drei Monate mehr haben müsste, um auf ein volles Jahresgehalt der Kolleg*innen zu kommen.
„Tarifverträge schaffen mehr Gerechtigkeit, müssen aber oft hart erkämpft werden.“
Mit Tarifverträgen seien sukzessive kürzere Wochenarbeitszeiten durchgesetzt, Lohnerhöhungen festgeschrieben oder Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit eingeführt worden, schreiben Lübker und Schulten. Die Forscher sprechen von „einer bedrohlichen Entwicklung“, dass die Tarifbindung in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen hat. Zur Jahrtausendwende hatten noch 68 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag. Die Forscher appellieren an die Bundesregierung. „Damit Tarifautonomie funktionieren kann, braucht es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können.“ Gleichzeitig sei auch die Regierung gefordert: Die Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen könne die Reichweite von bereits geschlossenen Tarifverträgen erhöhen.
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