Vertrag anfechten: Nach Unterschrift kein Zurück mehr?
Erst verhandeln, dann unterschreiben. Was beim Arbeitsvertrag praktisch selbstverständlich ist, sollte auch beim Aufhebungsvertrag beachtet werden, und zwar egal, wie groß der Druck durch den/die Chef:in sein mag. Denn nach der Unterschrift gibt es kein Zurück mehr und kaum eine Chance, den Vertrag anfechten zu können, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) klarstellt.
Ist die sprichwörtliche Tinte auf einem unterschriebenen Vertrag trocken, kann nicht mehr nachverhandelt werden. Klingt logisch, oder? Doch was gilt, wenn eine Vertragspartei die andere zuvor unter Druck gesetzt hat? So geschehen in einem Fall, der vor dem Bundesarbeitsgericht landete.
Eine Mitarbeiterin, die als Teamkoordinatorin im Verkauf tätig war, bekam von ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag vorgelegt, nachdem sie offenbar „unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert [hatte], um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln“, wie es vom Gericht heißt. Daraufhin wurde sie in das Büro des Geschäftsführers bestellt, wo ihr eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form eines Aufhebungsvertrags angeboten wurde.
Nach kurzer Zeit unterschrieb sie den Vertrag, wollte ihn jedoch eine Woche später gerichtlich anfechten. Denn sie sei vor der Unterschrift unter Druck gesetzt worden. Demnach habe ihr der Arbeitgeber keine weitere Bedenkzeit oder Rücksprache mit einem/einer Anwält:in oder der Gewerkschaft eingeräumt, sondern auf eine sofortige Unterzeichnung bestanden. Mehr noch: Hätte die Angestellte das Angebot abgelehnt, hätten ihr eine fristlose Kündigung sowie ein Strafverfahren gedroht. „Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen“, zitiert das BAG den Einwand der Klägerin. Außerdem liege eine widerrechtliche Drohung vor.
Unterschrift zählt: Vertrag anfechten ist die Ausnahme
Diese Auffassung teilten die Richter:innen jedoch nicht. In ihren Augen lag keine ausreichende Berechtigung vor, den Aufhebungsvertrag nach der Unterschrift anzufechten oder aufzulösen. Denn dies ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, beispielsweise wenn die Entscheidungsfreiheit des/der Angestellten eingeschränkt wird. Dies treffe jedoch in diesem Fall laut BAG nicht zu. „Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß […] BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Hinzu kommt, dass es aufgrund des vorherigen Verhaltens der Angestellten durchaus gerechtfertigt sein kann, dass der Arbeitgeber Maßnahmen wie eine außerordentliche Kündigung oder ähnliches in Erwägung ziehe. Der Chef habe also nicht unfair verhandelt. Und selbst wenn, sei der Vertragsschluss trotzdem zulässig. „Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein“, so das Gericht weiter. Die spätere Beseitigung eines einmal unterschriebenen Aufhebungsvertrags bleibt damit die absolute Ausnahme.
Wann kommt ein Aufhebungsvertrag zustande?
Ein Aufhebungsvertrag kann sowohl nach einer Kündigung durch den/die Arbeitgeber:in als auch durch den/die Arbeitnehmer:in infrage kommen. In beiden Fällen geht es darum, dass sich die Parteien darauf einigen, das Arbeitsverhältnis vor dem offiziellen Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden. Der/die Beschäftigte arbeitet folglich nicht mehr bis zum eigentlichen Vertragsende im Betrieb, sondern wird freigestellt. Die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes werden dadurch umgangen.
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