Verspätete Krankmeldung: Kündigung gerechtfertigt?
Fallen Apothekenangestellte für ihren Dienst krankheitsbedingt aus, müssen sie dies der Apothekenleitung unverzüglich mitteilen. So regelt es § 9 Bundesrahmentarifvertrag und auch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntFG). Doch was genau bedeutet „unverzüglich“ und droht bei einer verspäteten Krankmeldung direkt die Kündigung?
Die Antwort kommt durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin. Denn dieses hatte über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung zu entscheiden, die eine Angestellte erhalten hatte, nachdem sie sich zu spät krankgemeldet hatte. Der Chef sah darin ein unentschuldigtes Fehlen und damit einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung und eine Einbehaltung des Gehaltes. Doch die Beschäftigte wehrte sich. Der Grund: Sie musste stationär im Krankenhaus behandelt werden und war daher nicht in der Lage, sich unverzüglich abzumelden. Die Kündigung sei daher unrechtmäßig.
Übrigens: Ab wann genau du ein ärztliches Attest vorlegen musst, entscheidet der/die Chef:in. Laut BRTV gilt die Pflicht erst ab Tag vier, es sind jedoch individuelle Vereinbarungen möglich, sodass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon ab dem ersten Krankheitstag verlangt werden kann.
Wegen Krankenhausbesuch: Verspätete Krankmeldung ist kein Kündigungsgrund
Das sah auch das Gericht so. Denn Angestellte, die sich in stationärer Behandlung befinden, seien arbeitsunfähig und würden folglich nicht unentschuldigt fehlen – und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitsunfähigkeit angezeigt oder nachgewiesen werde. Eine Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung war im vorliegenden Fall somit unzulässig. Allenfalls eine Abmahnung wäre zulässig gewesen: „Selbst wenn ein Arbeitnehmer wochenlang seine Anzeige- und/oder Nachweispflicht aus dem EntgFG verletzt haben sollte, handelt es sich hierbei um eine auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruhende Vertragspflichtverletzung, bei welcher grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus“, heißt es von den Richter:innen.
Hinzukommt, dass der Chef erst in der dritten Woche nach dem Nichterscheinen seiner Angestellten nachfragte, wo sich diese aufhielt. Daraufhin bekam er wenige Tage später durch den Sozialdienst des behandelnden Krankenhauses Auskunft darüber. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe folglich kein Verstoß mehr gegen die Anzeigepflicht einer Arbeitsunfähigkeit bestanden, sodass auch die Einbehaltung des Lohns unrechtmäßig war.
Seit dem 7. Dezember ist die Krankschreibung per Telefon wieder möglich, und zwar dauerhaft. Für bis zu fünf Kalendertage können Patient:innen, die in der jeweiligen Praxis bekannt sind und nur leichte Symptome haben, ein Attest nach telefonischer Rücksprache erhalten. Ein genereller Anspruch darauf besteht jedoch nicht – sprich der/die Ärzt:in entscheidet. Grundlage ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der gemäß Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz verpflichtet war, eine entsprechende Regelung auf den Weg zu bringen.
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