Vor rund einem Monat ließ das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verlauten, dass sich die Versorgung mit Kinderarzneimitteln – bis auf einige Ausnahmen – entspannt habe. Die Realität sieht anders aus kontern einige Apotheken und Ärzt:innen – und werden mitunter kreativ.
Zu den knapp 500 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten Lieferengpässen gehören auch zahlreiche Kinderarzneimittel. Um die Versorgung der kleinen Patient:innen dennoch zu sichern, greifen für Präparate der „Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel“ erleichterte Austauschregeln. Doch die Engpasslage habe sich laut BMG ohnehin entspannt. In der Theorie. Denn die Realität ist eine andere, betonen Kinder- und Jugendärzt:innen sowie einige Apotheken.
So ergab eine Umfrage des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt:innen (BVKJ) unter rund 1.300 Mitgliedern kürzlich: Zahlreiche Präparate sind weiter knapp. 99 Prozent beklagen weiterhin einen Antibiotikamangel, der Großteil (80 Prozent) nicht nur bei einem, sondern mehreren Arzneimitteln. Es fehlt vor allem an Penicillin V, Amoxicillin sowie älteren und jüngeren Cephalosporinen. Daneben besteht aus Sicht der Ärzt:innen eine Mangelsituation bei Salbutamol-haltigen Arzneimitteln, ADHS-Medikamenten und inhalativen Steroiden. Die Folge: Die Versorgungsqualität ist stark gefährdet. Mehr noch: Es drohen schwerwiegende Risiken für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, so die Befürchtung.
Apotheke schickt wöchentliche Liste mit verfügbaren Antibiotika
Dass bei der Versorgung mit Kinderarzneimitteln vor allem bei Antibiotika noch immer große Engpässe herrschen, bestätigen auch Anfragen in verschiedenen Apotheken. Durch die zahlreichen Lieferschwierigkeiten sei es nahezu unmöglich, alle Rezepte so zu beliefern, wie sie von Kinderärzt:innen verordnet wurden. Eine Entspannung der Situation, wie sie das BMG beschreibt, sei nicht in Sicht.
Um die Situation bei den Verordnungen von Antibiotika durch Kinderärzt:innen zu entspannen, schickt eine Apotheke aus Emden jede Woche eine Liste mit allen derzeit verfügbaren Antibiotika an alle Kinderarztpraxen, die sich in der Nähe befinden. So wissen die Kinderärzt:innen, was verordnet werden kann und die Patient:innen können im Regelfall sofort oder zeitnah versorgt werden. Dennoch beschreibt eine Mitarbeiterin die Situation als „frustrierend“, da trotz aller Vorkehrungen nicht immer sofort eine Versorgung gewährleistet werden könne und die Eltern oft schon verzweifelt seien.
Versorgung mit Kinderarzneimitteln: Keine Versprechungen möglich
„Es macht keinen Spaß mehr“, erklärt auch eine Apothekenmitarbeiterin aus Hamburg. Die Defektliste sei lang und niemand wisse, wann die lange vorbestellten Arzneimittel in der Apotheke ankommen. Versprechen könne sie den Kund:innen folglich nichts und besonders bei dringenden Verordnungen wie Antibiotika-haltigen Zubereitungen fehle auch die Zeit, um auf eine eventuelle Lieferung zu warten. Bisher sei es dennoch immer gelungen, die Versorgung der Patient:innen sicherzustellen – auch dank der guten Zusammenarbeit mit den Kinderärzt:innen. Wie lange dies allerdings noch möglich ist, bleibe bei der derzeit angespannten Lage abzuwarten.
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