Urteil: Öffentliche Kritik an Online-Apotheken erlaubt
Dass die Apotheken vor Ort mitsamt der Teams, die Tag für Tag die Arzneimittelversorgung sicherstellen, unverzichtbar sind, ist längst nicht jedem/jeder klar. Stichwort Versandhandel. Kein Wunder, dass der Unmut bei vielen Apothekenmitarbeitenden groß ist. Weil ein Apotheker seinem Ärger Luft gemacht und öffentlich Kritik gegen Online-Apotheken geäußert hat, landete er vor Gericht.
Generell gilt hierzulande das Prinzip der Meinungsfreiheit. Diese ist in Artikel 5 des Grundgesetzes geregelt. Das bedeutet, dass auch Kritik frei geäußert und von dem/der Gegenüber ausgehalten werden muss. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn dabei gegen das sogenannte Schikaneverbot verstoßen wird. Denn in § 226 Bürgerliches Gesetzbuch heißt es: „Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“
Sollen also die Adressat:innen durch die eigenen Aussagen lediglich diffamiert werden, damit ihnen beispielsweise finanzielle Nachteile entstehen, ist dies tabu. Gleiches gilt bei bewusst unwahren Behauptungen und persönlichen Beleidigungen. Weil der Inhaber einer Vor-Ort-Apotheke in einem Interview angeblich genau gegen diese Kriterien verstoßen hat, als er öffentliche Kritik an Online-Apotheken übte, musste er vor Gericht – und bekam Recht.
Kritik an Online-Apotheken entspricht Tatsachen
Was war passiert? Ein Apotheker hatte sich in einem Zeitungsinterview kritisch über DocMorris, Redcare und andere Online-Apotheken geäußert und diese unter anderem als „Schmarotzer“ des Steuersystems bezeichnet. Auch die fehlende Beratung kritisierte der Inhaber. Eine Versandapotheke klagte gegen die Äußerungen und forderte eine Unterlassungserklärung – vergeblich. Denn wie das Landgericht München II kürzlich entschieden hat, waren die Aussagen, die die Unterschieden zwischen Online-Apotheken und örtlichen Apotheken hinsichtlich deren Kostenstruktur, unterschiedlichen Steuerbelastungen und der Beratung von Kund:innen beinhalteten, zulässig.
So handele es sich beispielsweise bei den unterschiedlichen steuerlichen Regelungen um Tatsachen. Eine Gewerbesteuer gibt es laut geltendem Recht in den Niederlanden nicht und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel liegt dort bei lediglich 9 Prozent, während es hierzulande 19 Prozent sind. Und auch die „vom Antragsgegner in dem Interview dargestellten Vorteile einer aktiven persönlichen Ansprache in der Apotheke würden darüber hinaus auf der Hand liegen“, heißt es in einer Pressemitteilung zum Urteil. So hatte der Apotheker kritisiert, dass es bei Versandapotheken keine Beratung mehr gebe und keine/n Approbierte:n, der/die die entsprechende Medikation noch einmal hinsichtlich Verträglichkeit und Co. überprüfe.
Bezeichnung als „Schmarotzer“ zulässig
Weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Tatsachenbehauptungen des Apothekers falsch sind, muss die Online-Apotheke die öffentliche Kritik daher hinnehmen. Sogar die Bezeichnung als „Schmarotzer“ war laut den Richter:innen zulässig, denn diese sei im Zusammenhang des Interviews zu sehen. Damit werde deutlich gemacht, dass Vor-Ort-Apotheken nicht mit Versendern mithalten könnten, da sie stärker belastet seien. Als Schmarotzer gelte generell jemand, der sich eigennützig und rücksichtslos auf Kosten anderer bereichert. „Da es, im Gesamtzusammenhang gesehen, dem Antragsgegner vorrangig um eine Auseinandersetzung in der Sache gegangen sei, sei dieser Begriff als polemische Zuspitzung von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Hinzukommt, dass es sich bei dem Interview generell nicht um eine „geschäftliche Handlung“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handele und somit auch nicht gegen dieses verstoßen werde.
Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden, sodass dieses als nicht rechtskräftig gilt.
Übrigens: Auch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat in einem früheren Urteil bezüglich Online-Bewertungen bereits klargestellt, dass sich ein Gewerbetreibender „wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen [muss], wenn sie scharf formuliert ist.“
Mehr aus dieser Kategorie
PTA fällt nachträglich durch Abschlussprüfung
In Thüringen durchlebte eine PTA-Auszubildende den reinen Horror: Ihre bereits bestandene schriftliche Abschlussprüfung wurde nachträglich aberkannt, daher musste sie ihr …
ePA: Kaum Widerspruch gegen Nutzung
Befunde, Medikamente, Laborwerte – gespeichert in einer elektronischen Patientenakte, auf die Praxen, Kliniken und Apotheken zugreifen können. Das kommt nach …
Nina Warken wird neue Gesundheitsministerin
Die Kabinettsliste der CDU für die kommende schwarz-rote Bundesregierung steht fest. Neben Friedrich Merz (CDU) als Kanzler werden vier Minister …