Diclofenac kann bei Herzpatienten das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte erhöhen. Davor wurden die Ärzte bereits vor sechs Jahren in einem Rote-Hand-Brief gewarnt. Daraufhin sanken die Verordnungszahlen zwar im Allgemeinen, aber nicht bei der Risikogruppe. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS.
Rote-Hand-Brief 2013
Vor sechs Jahren wurde über die Anwendungseinschränkungen für Diclofenac informiert. Diese waren das Ergebnis einer europaweiten Überprüfung zum Risiko von kardiovaskulären Nebenwirkungen unter einer Behandlung mit nicht-selektiven nicht-steroidalen-Antirheumatika. Die Experten kamen aufgrund von Studien zu dem Schluss, dass für Diclofenac ein erhöhtes Risiko für arterielle thrombotische Ereignisse besteht, das mit dem von COX-2-Hemmern vergleichbar ist.
Genau ging es um Rofecoxib – der Wirkstoff aus Vioxx. Das Arzneimittel wurde 2004 vom Markt genommen. Der Grund: Es kam zuvor zu kardiovaskulären Todesfällen. Diclofenac zeige ein ähnliches Risikoprofil wie Rofecoxib, so das BIPS.
Das sind die Kontraindikationen
Daraufhin wurde die Indikation für den Arzneistoff eingeschränkt. Diclofenac ist kontraindiziert bei Patienten mit bestehender Herzinsuffizienz, ischämischer Herzerkrankung, peripherer Arterienerkrankung oder zerebrovaskulärer Erkrankung. Außerdem sollen Patienten mit Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse wie beispielsweise Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus oder Rauchen nur nach sorgfältiger Abwägung mit Diclofenac behandelt werden. Zudem soll die Behandlung mit der geringsten wirksamen Dosis über den kürzesten möglichen Zeitraum erfolgen.
Warnung ohne Folgen?
Die Wissenschaftler des BIPS untersuchten das Verordnungsverhalten der Mediziner vor und nach dem Rote-Hand-Brief. Dazu wurden Krankenkassendaten von mehr als zehn Millionen Patienten herangezogen. Die Daten belegen einen Rückgang der Verschreibungen um 30 Prozent im Vergleich zu den Jahren 2011 und 2014. Eine positive Bilanz. Allerdings: Es gibt keinen Rückgang der Verordnungen in Bezug auf die Risikogruppe. 2011 und 2014 hatten 12 Prozent trotz einer kardiovaskulären Kontraindikation eine Verordnung über Diclofenac erhalten.
„Der Rückgang der Diclofenac-Verordnungen scheint also ein allgemeiner Trend gewesen zu sein und hat sich auf die Risikogruppen nicht im Speziellen ausgewirkt. Die neuen Kontraindikationen spiegeln sich im Verschreibungsverhalten nicht wirklich wider“, so Studienerstautor Oliver Scholle vom BIPS. Auch nach 2014 waren die Verordnungszahlen laut Arzneimittelverordnungsreport weiterhin rückläufig. Waren es 2014 noch 317 Millionen Tagestherapiedosen (DDD), sind es 2018 nur noch etwa 212 Millionen DDD. Zum Vergleich: Von Ibuprofen wurden 2018 etwa 539 Millionen DDD verordnet.
Vermeidbares Risiko
Dass dennoch 12 Prozent der Diclofenac-Verordnungen auf die Risikogruppe fallen, ist bedenklich. „Man muss davon ausgehen, dass es aufgrund dieser Verordnungen zu Herzinfarkten und Schlaganfällen kam, die vermeidbar gewesen wären, denn es gibt sicherere Alternativen zu Diclofenac“, ergänzt Professor Dr. Ulrike Haug (BIPS). Daher wird mehr Aufklärung der Ärzte zu den Risiken gefordert. Und das auch bei kurzzeitiger Therapie und geringer Wirkstoffdosis. Zudem plant das BIPS weitere Analysen mit aktuelleren Daten.
Schweden hat reagiert
In Schweden sind Diclofenac-haltige orale Darreichungsformen ab 2020 verschreibungspflichtig. Die Entscheidung ist auf das erhöhte kardiovakuläre Risiko zurückzuführen.
Diclofenac ist ein nicht-steroidales Antirheumatikum (NSAR) und besitzt entzündungshemmende, schmerzstillende und fiebersenkende Eigenschaften. Ursache ist eine Hemmung der Cyclooxygenase und der damit unterbrochenen Prostaglandinsynthese.
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