Zu den am häufigsten verordneten Medikamenten weltweit zählen nach den Statinen die Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Sie werden auch Protonenpumpenhemmer beziehungsweise -blocker genannt. Mit etwa 3,5 Milliarden definierter Tagesdosen (DDD) im Jahr 2018 steigen die Verordnungszahlen seit der Einführung des ersten PPI im Jahr 1989 kontinuierlich an.
Die Wirkstoffe Omeprazol und Pantoprazol sind im Vergleich zum Jahr 2017 um 7,5 Prozent beziehungsweise 1 Prozent rückläufig, während Lansoprazol (+8,5 Prozent), Esomeprazol (+3,7 Prozent) und der Spitzenreiter Rabeprazol (+29,9 Prozent) einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen haben. Seit dem Jahr 2009 sind PPI zudem in geringer Dosierung und begrenzter Stückzahl im OTC-Sortiment erfolgreich vertreten.
Indikation
Schon im Jahr 1910 formulierte der Österreicher Dr. Karl Schwarz den Satz „Ohne Säure kein Ulkus“. PPI werden überwiegend zur Behandlung säureassoziierter Erkrankungen eingesetzt. Dazu gehören die Refluxkrankheit sowie Magenschleimhaut- und Zwölffingerdarmgeschwüre. Außerdem werden sie prophylaktisch bei der Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) eingesetzt, um säurebedingte Schleimhautläsionen zu verhindern. Darüber hinaus sind PPI in Kombination mit Antibiotika Bestandteil bei der Eradikation von Helicobacter-pylori. Es wird von Experten vermutet, dass PPI vielfach bei Reizmagen sowie zur gastroduodenalen Prophylaxe bei Polypharmazie verordnet werden, obwohl es für diese Indikationen kaum wissenschaftliche Belege gibt.
Wirkung
Protonenpumpenhemmer gelangen nach der Resorption im Magen-Darm-Trakt über die Blutbahn an die Belegzellen der Magenschleimhaut. Dort ist auch das Enzym H+/K+-ATPase, die sogenannte Protonenpumpe, zu finden. Sie transportiert Protonen in das Mageninnere, während im Austausch Kaliumionen in die Zelle gelangen. PPI bilden eine Disulfidbrücke mit der H+/K+-ATPase, wodurch diese irreversibel gehemmt wird. Und frei nach Dr. Schwarz heißt es nun: „Ohne Protonen keine Salzsäure.“ Die Entstehung von Salzsäure wird effektiv gehemmt und infolgedessen der pH-Wert im Magen angehoben. Trotz der recht kurzen Halbwertszeit von circa 90 Minuten wirken PPI deutlich länger, da die Säuresekretion erst wieder durch die Synthese neuer H+/K+-ATPase stattfinden kann. Täglich werden etwa 20 Prozent der Protonenpumpen neu gebildet.
Die Zufuhr von Protonen ist der letzte Schritt bei der Säureproduktion im Magen. Durch die Hemmung der Protonpumpe wird sie deutlich effektiver gehemmt als durch spezifische Rezeptorantagonisten (beispielsweise H2-Blocker wie Ranitidin), die nur teilweise in die Signalübertragung eingreifen.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungsrate von PPI ist sehr gering und liegt bei unter 5 Prozent. Die möglichen vorkommenden Nebenwirkungen sind zudem in der Regel von leichter Natur. Beschrieben werden unter anderem gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen und Völlegefühl sowie Schwindel und Kopfschmerzen. Insbesondere nach langer Therapiedauer sollten PPI ausschleichend abgesetzt werden, da es sonst zu einer überschießenden Säureproduktion (Rebound-Effekt) kommen kann.
Folgen der Säurehemmung
Durch die Anhebung des pH-Wertes im Magen werden wichtige physiologische Funktionen der Magensäure gehemmt. So wird beispielsweise die Resorption von Eisen, Vitamin B12, Calcium und Magnesium erschwert. Der Magnesiummangel (der sich in Studien im Schnitt erst nach einer Therapiedauer von über fünf Jahren gezeigt hat) kann sich durch Herzrhythmusstörungen und Krampfanfälle bemerkbar machen. Der Mangel an Calcium kann zu Osteoporose führen und damit auch das Frakturrisiko erhöhen.
Auch der natürliche Schutzeffekt der Magensäure vor bakteriellen Infektionen ist bei einer Therapie mit PPI vermindert, sodass vermehrt Magen-Darm-Infektionen auftreten können. Zudem wird ein mögliches erhöhtes Risiko für Infektionen der oberen Atemwege sowie Pneumonien diskutiert. Die Studienlage hierzu fällt jedoch mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen aus.
Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Da Protonenpumpenhemmer den pH-Wert des Magens beeinflussen, können sie zu einer veränderten Freisetzung weiterer Arzneimittel führen. Des Weiteren wird der Metabolismus anderer Wirkstoffe durch die Interaktion mit Cytochrom P450 beeinflusst. Dies ist insbesondere bei gleichzeitiger Therapie mit Omeprazol und Clopidogrel der Fall. Hier lautet die Empfehlung, mit Pantoprazol oder Rabeprazol zu therapieren, welche die plättchenhemmende Wirkung von Clopidogrel deutlich weniger verringern. Phenytoin, Warfarin, Diazepam und Clarithromycin können andererseits in ihrer Wirkung verstärkt werden. Hier muss die jeweilige Dosis gegebenenfalls angepasst werden. PPI sind kontraindiziert bei gleichzeitiger Therapie mit Atazanavir und Nelfinavir.
Einnahme
Protonenpumpenhemmer werden aufgrund ihrer Galenik in der Regel einmal täglich 30 Minuten vor einer Mahlzeit eingenommen. PPI sind Prodrugs und würden ohne einen Säureschutz nach der Einnahme durch die Salzsäure im Magen zerstört werden. Daher sind entweder die Kapselhüllen magensaftresistent (Achtung, Kapseln dürfen nicht geöffnet werden!) oder es werden kleine Wirkstoff-Pellets direkt mit einem Säureschutz überzogen. Die Freisetzung der PPI findet so erst im oberen Dünndarm bei einem höheren pH-Wert statt. Bei Zubereitungen mit einem Pellet-System können Kapseln bei Schluckbeschwerden oder Sondenapplikation geöffnet und Tabletten suspendiert (nicht gemörsert!) werden.
Ein weiterer Grund für die Einnahme 30 Minuten vor dem Essen ist die Protonenpumpe selbst: Erst durch die Nahrungsaufnahme wird das Enzym in einen aktiven Zustand versetzt, was nötig ist, damit PPI ihre Wirksamkeit optimal entfalten können.
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