Rote-Hand-Brief: Bei Clozapin an Agranulozytose denken
Weil unter einer Behandlung mit Clozapin die Gefahr für Neutropenie und Agranulozytose steigen kann, wird in einem Rote-Hand-Brief auf entsprechende Maßnahmen zur Risikominimierung hingewiesen. Entscheidend ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte.
Clozapin wird zur Behandlung der therapieresistenten Schizophrenie angewendet, wenn Betroffene mit schweren, nicht zu behandelnden neurologischen unerwünschten Reaktionen auf andere Antipsychotika reagieren. Auch bei Patient:innen mit Psychosen im Verlauf von Morbus Parkinson nach Versagen der Standardtherapie zum Einsatz. Denn das Neuroleptikum ist zwar antipsychotisch wirksam, unterscheidet sich jedoch von anderen Antipsychotika. Clozapin besitzt nur eine geringe Dopaminrezeptor-blockierende Affinität zu D1-, D2-, D3-, und D5-Rezeptoren und zeigt eine hohe Affinität zum D4-Rezeptor.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören unter anderem Schläfrigkeit, Schwindel, Obstipation und Übelkeit. Außerdem drohen eine Neutropenie und/oder Agranulozytose.
Eine Agranulozytose ist von einem Abfall der neutrophilen Granulozyten im peripheren Blut auf unter 500/µl gekennzeichnet. Betroffene haben ein hohes Infektionsrisiko.
Typische Symptome sind Fieber, Schüttelfrost, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und eine generelle Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Da diese jedoch eher unspezifisch sind, wird in einem Rote-Hand-Brief nun zur routinemäßigen Blutbildkontrolle im Hinblick auf das Risiko einer Agranulozytose unter der Behandlung mit Clozapin geraten.
Clozapin: Risiko für Neutropenie und Agranulozytose
Demnach sprechen die Zulassungsinhaber in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur sowie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte neue Empfehlungen zur Patientenüberwachung aus, um dem erhöhten Risiko für Neutropenie und Agranulozytose unter Clozapin zu begegnen und frühzeitig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
So gilt es, anstelle der Leukozytenzahl die absolute Neutrophilenzahl – anhand aktualisierter Schwellenwerte – im Blick zu behalten:
- wöchentliche Kontrolle während der ersten 18 Behandlungswochen
- monatliche Kontrolle ab der 19. Woche bis zum Ende des ersten Behandlungsjahres
- vierteljährliche Kontrolle, wenn im ersten Behandlungsjahr keine Neutropenie aufgetreten ist
- jährliche Kontrolle, wenn in den ersten zwei Behandlungsjahren keine Neutropenie aufgetreten ist
- sofortige Kontrolle, wenn entsprechende Symptome bei Patient:innen beobachtet werden
- gegebenenfalls engmaschigere Kontrolle bei älteren Patient:innen sowie bei gleichzeitiger Behandlung mit Valproinsäure, vor allem zu Therapiebeginn
Clozapin sollte zudem nur bei Patient:innen zum Einsatz kommen, die eine absolute Neutrophilenzahl von ≥ 1.500/mm3 aufweisen sowie bei denjenigen mit bestätigter benigner ethnischer Neutropenie (BEN) mit absoluter Neutrophilenzahl ≥ 1.000/mm3.
Bei einer Neutropenie wird zwischen drei Formen unterschieden: absolute Neutrophilenzahl zwischen 1.000 und 1.500/mm³ = leichte Form, Neutrophilenzahl zwischen 500 und 999/mm³ = mittelschwere Form, Neutrophilenzahl < 500/mm³ = schwere Neutropenie.
Neutrophilenzahl im Blick behalten
Grund für die neuen Empfehlungen sind wissenschaftliche Daten, die zeigen, dass eine Clozapin-induzierte Neutropenie zwar jederzeit während der Behandlung auftreten kann, jedoch meist innerhalb des ersten Behandlungsjahres festgestellt wird. Am höchsten ist die Inzidenz demnach in den ersten 18 Wochen und nimmt anschließend ab.
Abhängig davon, welche Neutrophilenzahl im Rahmen der Kontrollen festgestellt werden, ergeben sich daraus Folgemaßnahmen:
- monatliche Kontrolle über die gesamte Behandlungsdauer, wenn eine leichte Neutropenie auftritt, die sich anschließend stabilisiert und/oder abklingt. Bei Patient:innen mit bestätigter benigner ethnisch bedingter Neutropenie (BEN) liegt der Schwellenwert bei 500 bis 1.000/mm3.
- sofortiger Therapieabbruch bei Abfall der absoluten Neutrophilenzahl unter 1.000/mm3 (< 500/mm3 bei Patient:innen mit bestätigter BEN) sowie vierwöchige Überwachung auch nach dem Absetzen.
Wurde eine frühere Clozapin-Behandlung abgebrochen und soll wieder aufgenommen werden, gelten folgende Empfehlungen:
- Fortsetzung des bisherigen Behandlungsschemas bei stabilen Patient:innen, die über eine Behandlungsdauer von ≥ 2 Jahren ohne Neutropenie waren
- sechswöchige engmaschige Überwachung bei Patient:innen mit früherer Neutropenie oder einer Behandlungsdauer > 18 Wochen bis 2 Jahre, die die Therapie für ≥ 3 Tage bis maximal 4 Wochen unterbrochen haben
- wöchentliche Überwachung für die ersten 18 Behandlungswochen und Neueinstellung der Dosis bei Therapieunterbrechung von ≥ 4 Wochen
Außerdem sollen die Produktinformationen Clozapin-haltiger Arzneimittel entsprechend der aktuellen Empfehlungen aktualisiert werden.
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