Rezeptfälschung: Schweigepflicht beachten
Rezeptfälschungen sind keine Seltenheit. Vor Kurzem haben verschiedene Krankenkassen über manipulierte Verordnungen bestimmter Arzneimittel gewarnt, denn Original und Fälschung sind mitunter kaum zu unterscheiden. Eine aktuelle aposcope-Onlinebefragung unter Apotheker:innen und PTA zeigt, dass zwei Drittel der Kolleg:innen mindestens eine Rezeptfälschung pro Monat vorgelegt bekommen – 7 Prozent sogar bis zu fünf manipulierte Verordnungen.
Bei einer Rezeptfälschung handelt es sich um Urkundenfälschung, die mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. In besonders schweren Fällen kann auch eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren angeordnet werden. Dennoch laufen in den Apotheken nach wie vor Fälschungen auf – zum Großteil werden manipulierte Privatrezepte (70 Prozent) vorgelegt, gefolgt von Kassenrezepten (51 Prozent) und BtM-Rezepten (2 Prozent).
Am häufigsten sind Verordnungen über Ozempic (Semaglutid), Mounjaro (Tirzepatid), Benzodiazepine, allen voran Diazepam, Z-Substanzen, Pregabalin, Tilidin und Krebsmedikamente manipuliert, wie die Befragung zeigt.
Rücksprache und Anzeige
Wird in der Apotheke eine Fälschung erkannt beziehungsweise vermutet, halten 81 Prozent der Befragten Rücksprache mit der verordnenden Praxis. Sechs von zehn Kolleg:innen behalten das Rezept ein und knapp die Hälfte informiert die Polizei. Auf die Manipulation sprechen jedoch nur zwei von zehn Umfrageteilnehmenden den/die Kund:in direkt an.
Schweigepflicht beachten
Liegt eine Rezeptfälschung in der Apotheke vor, besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige, denn § 17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) fordert nicht die Einbindung Dritter, also auch nicht der Polizei. Dort heißt es lediglich: „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Mißbrauch ist die Abgabe zu verweigern.“
Pflicht ist eine Anzeige also nicht, aber darf die Apotheke die Straftat melden? Immerhin unterliegen Apotheker:innen der Schweigepflicht. „Diese umfasst alle im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Apotheker erlangten Umstände und Kenntnisse und damit auch solche, die im Zusammenhang mit einer Straftat bekannt geworden sind. Auch gefälschte oder manipulierte Daten unterliegen der Schweigepflicht. Der Verdacht einer strafrechtlichen Handlung führt nicht zum Wegfall derselben“, informiert die Apothekerkammer Berlin.
Verstoßen Apotheker:innen gegen die Schweigepflicht, werden sie selbst angreifbar. Strafbar macht sich, wer „unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker […] anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.“
Kein Schaden, keine Anzeige
Ob Apotheker:innen eine Fälschung zur Anzeige bringen, sollte laut Kammer gut abgewogen werden. „Wurde das Arzneimittel nicht abgegeben, darf der Apotheker potenzielle Rezeptbetrüger nicht melden.“
Wurde das Rezept jedoch beliefert und ist dadurch ein Schaden entstanden, beispielsweise weil die Apotheke retaxiert wurde, und ist der entstandene Schaden für die Apotheke nicht nur geringfügig, kann Anzeige erstattet werden. Das gilt auch, wenn Dritte geschädigt werden, weil beispielsweise mit den mittels Fälschung beschafften Arzneimitteln gedealt wird. Ist dies der Fall, könne dies dazu führen, dass das Persönlichkeitsrecht der „Kund:innen“ an der Geheimhaltung der Daten als nachrangig gegenüber den anderen schützenswerten Gütern – Leib, Leben und Gesundheit Dritter – betrachtet werden. „In diesen Fällen kann ein Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt sein“, so die Kammer und rät im Falle einer Anzeige, das Vorgehen mit dem/der betroffenen Ärzt:in abzustimmen.
Zur Methodik: An der Online-Befragung nahmen vom 28. bis 29. Mai insgesamt 301 verifizierte Apotheker:innen und PTA zu den Themen Rezeptur und Rezeptfälschungen teil.
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